Formel E

Daniel Abt erklärt Niedergang des Motorsports: "Die Relevanz ist weg"

Timo Pape

Timo Pape

Nach dem WEC-Ausstieg 2016 verkündete Audi vergangene Woche auch seinen Rückzug aus der DTM zum Ende dieses Jahres. Formel-E-Werkspilot Daniel Abt widmete dem Thema ein eigenes YouTube-Video (siehe unten) und versucht darin, die Entscheidung seines Arbeitgebers nachzuvollziehen. Aus seiner Sicht ist das "absolute Ende der DTM" eine logische Konsequenz der Unfähigkeit des Motorsports, sich der heutigen Zeit anzupassen.

"Warum macht man Motorsport?", stellt Abt zunächst die Grundfrage, auf der die Entscheidung Audis vor allem beruht haben dürfte. "Sind wir mal ehrlich: Es ist nicht mehr wegen der Technik, dass man irgendwas aus dem Motorsport nimmt, und es kommt in die Serie. Motorsport ist Marketing." Es gehe darum, die Marke zu präsentieren und Produkte zu verkaufen. "Wenn aber immer weniger Leute zuschauen und vor Ort sind, und gleichzeitig die Kosten immer mehr werden, dann kommt irgendwann mal jemand und sagt: 'Hey, lohnt sich das alles?'"

Hinzu kämen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Automobilindustrie, die ihre Budgets derzeit stark kürzen muss. Die "unemotionale" Entscheidung Audis, aus der DTM auszusteigen, scheint vor diesem Hintergrund für Abt nachvollziehbar zu sein, auch denn ihn das Thema persönlich ergreift. "Ich bin damit aufgewachsen, und ich merke ja selber, dass ich schon keinen Bock mehr habe, zur DTM zu fahren, weil es immer der gleiche Scheiß ist und immer schlechter wird. Ich hätte nie gedacht, dass es mal so kommt. Das ärgert mich so sehr, weil das alles Potenzial hat." Das Ende der DTM sei nun das Ergebnis.

DTM kein Einzelfall im globalen Motorsport

Abt ordnet das voraussichtliche Aus der Tourenwagenmeisterschaft in einen größeren Kontext ein: "Das ist natürlich hart und scheiße, und es zeigt glaube ich auch, wohin der Motorsport geht. Ich glaube, dass wir da ein sehr, sehr großes Problem haben und auch kriegen werden in den nächsten Jahren, weil der Motorsport meiner Meinung nach nicht richtig aufgestellt ist und es auch nicht verstanden hat, in die Neuzeit zu kommen."

Abt gibt zu bedenken, dass gerade junge Leute heutzutage ein riesengroßes Entertainment-Angebot haben, das womöglich kurzweiliger als ein Autorennen ist. "Und noch dazu hat das Auto keinen Status mehr für diese jungen Leute, so wie früher. Dann ist die Relevanz weg. Weil das Auto an Relevanz verliert, verliert auch der Motorsport an Relevanz", erklärt Abt und fasst zusammen: "Ich glaube, das ist das allergrößte Problem. Es wird sehr, sehr schwierig, dieses Thema so zu erhalten, wie wir uns das vorstellen und wünschen. Ich glaube, dass dieser Sport schrumpfen wird."

"Back to the roots" für den Rennsport nicht die Lösung

Durch die Ausdünnung des eigenen Motosport-Portfolios liegt der Fokus Audis ab sofort vollständig auf der Formel E sowie auf dem Kundensport, wo die Ingolstädter beispielsweise GT3-Rennwagen zum Kauf anbieten. Abt fürchtet, dass auch dieser Stein vor dem Hintergrund schwindender Relevanz irgendwann umgedreht wird. "Da werden auch Leute draufschauen und sich das angucken."

Der Ansatz "back to the roots", wie stets von vielen Fans - auch für die Formel 1 - gefordert, ist für Abt der falsche Weg: "Zurückgehen hat noch nie was gebracht, die Zeiten ändern sich. Vor 25, 30 Jahren war es eine ganz andere Zeit als jetzt. Wir müssen es schaffen, mit dem Motorsport die Fans von morgen anzuholen. Und das schafft keine Motorsportserie aktuell - niemand! Du siehst es ja bei der Formel 1 - die haben es auch verpasst, die jungen Leute zu holen. Diejenigen, die jetzt noch die Formel 1 tragen, sind alle schon etwas älter im Schnitt. Und wenn die sich das mal nicht mehr anschauen, dann wird es da auch schwierig."

Auch die Formel E macht Fehler

Die Serie, in der Abt selbst seit fünfeinhalb Jahren an den Start geht, habe immerhin die richtigen Rahmenbedingungen. "Die Formel E macht auch nicht alles richtig, und man muss sie auch nicht mögen. Ich will nur sagen: Aus Herstellersicht, wenn du ein Produkt verkaufst - und alle Hersteller gehen auf das Thema Elektro -, macht es halt einfach Sinn, in etwas zu investieren und für etwas zu werben, das auch der DNA entspricht, für die du stehen willst."

Trotzdem müsste auch hier "alles viel frecher sein", meint Abt - auch mit Blick auf seine Fahrerkollegen. "Die Leute müssen das geil finden, da muss es abgehen. Auch unser Simracing-Thema (die Race at Home Challenge) wird quasi aufgebaut wie ein normales Rennen. Das ist für mich der komplett falsche Ansatz. Wie geil wäre es, wenn wir Strecken bauen würden, die für Simracing geil sind? Wir fahren fucking Loopings und springen durch die Luft. Und Fans können mir irgendein Ding geben, mit dem ich andere abschießen kann. Das wäre eine Gaudi, darüber würde man lachen. Man versucht aber, die Realität nachzubauen, und kriegt es nicht hin." Das langweile den Fan nur, gibt Abt zu verstehen.

"Es gibt schon Möglichkeiten und Potenzial in dem Thema, aber es sprechen zu viele mit, die zu sehr in Technik-Themen gehen anstatt in Entertainment und Marketing." Und am Ende des Tages gehe es genau darum, erklärt Abt. "Es ist wirklich schade. Ich weiß nicht, wie das alles weitergehen wird und hoffe, dass es weitergeht und sich neue Dinge auftun. Vielleicht müssen diese alten Gerüste auch einmal einstürzen, um wieder etwas Neues aufzubauen - ich weiß es nicht."

Anlässlich der 150. Episode unseres Formel-E-Podcasts "ePod" begrüßen wir Daniel Abt am Mittwochabend in der Sendung. Im Vorfeld sammeln wir auch Fragen aus der Community. Wenn du eine Frage an den Audi-Piloten hast, schreib uns eine Mail - mit etwas Glück landet sie in der Sendung.

Foto: Peter Minnig / Spacesuit Media

Video: Daniel Abt diskutiert Audis DTM-Ausstieg

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