Formel E

HWA-Chef Fritz im Extreme-E-Interview: "Alle Teams haben relativ wenig Offroad-Erfahrung"

Timo Pape

Timo Pape

Nach einem Jahr mit eigenem Team in der Formel E hat sich HWA Racelab der neuen Offroad-Meisterschaft Extreme E verschrieben, die im kommenden März in ihre Debütsaison starten wird. Im Exklusiv-Interview mit 'e-Formel.de' spricht der HWA-Vorstandsvorsitzende Ulrich Fritz unter anderem über Entwicklungsspielräume für die Teams, eine in diesem Fall recht komplexe Fahrer-Auswahl und den Fahrplan für die nächsten Monate.

Herr Fritz, Sie stehen vor einer ganz neuen Herausforderung, die HWA an die entlegensten Orte der Welt bringen wird. Was halten Sie vom kürzlich überarbeiteten Rennkalender der Extreme E?

Grundsätzlich finde ich ihn sehr reizvoll, denn es ist ja ein Kalender der Gegensätze. Er führt uns aus arktischer Kälte in die Hitze der Wüste. Auch mit Blick auf die Luftfeuchtigkeit wird das eine riesige Challenge für die Ingenieure und die Fahrer. Keiner von uns war jemals an diesen Orten, das ist ein ganz neues Abenteuer. Das zeichnet das Konzept der Extreme E aus.

Mit Hamilton, Rosberg, Andretti und Co. haben sich bei den Teams einige wohlklingende Namen eingeschrieben. Welchen Konkurrenten schätzen Sie am stärksten ein?

Das ist ganz schwer zu sagen. Ich glaube, uns alle verbindet vor allem eines: Wir haben alle relativ wenig Offroad-Erfahrung. Das ist nicht unser angestammtes Wettbewerbsumfeld, und auch die anderen Teilnehmer kommen wie wir eher von der Rennstrecke. Da gibt es andere, die auf diesem Gebiet jahrzehntelange Erfahrung haben - aber nicht in der Startaufstellung stehen. Es wird spannend zu sehen, wer sich vor diesem Hintergrund wie entwickelt.

Erfahrung im E-Motorsport hat HWA bereits: in Saison 5 zunächst mit eigenem Team, nun als Einsatztruppe für Mercedes in der Formel E. Welche Expertise können Sie konkret in die Extreme E einbringen?

Wir haben in der Formel E viel Know-how mit Blick auf E-Rennfahrzeuge aufgebaut. Das hilft uns auf jeden Fall. Auch mit Blick auf die Abläufe und die Zusammenarbeit können wir sicherlich auf Erfahrungen zurückgreifen, denn die Veranstalter der Extreme E sind ja dieselben wie die Gründer der Formel E. In technischer Hinsicht wird auch in der Extreme E das Energiemanagement eine große Herausforderung, gerade mit Blick auf die unterschiedlichen Temperaturen und Gegebenheiten. Wir müssen bis zum ersten Rennen entsprechendes Wissen aufbauen, das wir aber auch aus anderen Bereichen mitbringen werden.

Foto: HWA/Extreme E

Planen Sie, Personal aus der Formel E einzusetzen?

Es wäre der falsche Ansatz, Personal wie Ingenieure doppelt und dreifach einsetzen zu wollen. Allein schon weil die Formel E inzwischen so hochprofessionell und zeitlich anspruchsvoll ist, dass sich kaum noch andere Serien oder Events damit kombinieren lassen. Es wird für die Extreme E ein spezielles Team geben, das ist bei uns üblich. Ich glaube, man kann nur gut sein, wenn man sich auf ein Fahrzeug und eine Serie fokussiert. Trotzdem werden sich einzelne Experten - etwa zum Energiemanagement - austauschen und ergänzen.

Stellt HWA also neues Personal für das Extreme-E-Projekt ein?

Unser oberstes Ziel ist natürlich immer, zuerst einmal internes Personal weiterzuentwickeln und unsere HWA-DNA im Projekt zu verankern. Aber natürlich gibt es hier bisher wenig bis gar keine Offroad-Expertise. Deshalb wäre es wohl vermessen zu glauben, dass man sich das einfach mal so aneignen kann. Daher müssen wir auch extern schauen, wer uns unterstützen kann. Es wird eine gesunde Mischung sein.

Wird es Mitarbeiter geben, die die ganze Saison über an Bord des schwimmenden Fahrerlagers St. Helena bleiben, oder wird die Crew für jedes Rennen eingeflogen?

Das ist nicht das "Love Boat", wo die Kolleginnen und Kollegen ein Jahr eingeschlossen werden (lacht). Tatsächlich reisen sie eventspezifisch dorthin.

Manche Teams haben ihr Fahrer-Line-up bereits bekannt gegeben. Wie sieht es bei HWA aus?

Wir haben noch fünf bis sechs Monate und werden uns diese Zeit nehmen, um uns noch den einen oder anderen Fahrer oder die eine oder andere Fahrerin anzuschauen. Wir haben uns überhaupt noch nicht entschieden. Ich glaube, man tut gut daran, Jungs und Mädels an Bord zu holen, die auch Offroad-Erfahrung haben. Ein Fahrer, der von der Rennstrecke kommt, in Kombination mit uns als Team, das auch von der Rennstrecke kommt - das würde eine Challenge werden. Wir müssen außerhalb unserer Box denken. Das sieht man ja auch an den Line-ups, die andere Teams schon kommuniziert haben…

Sophia Flörsch hat kürzlich das Extreme-E-Fahrzeug getestet, hat darüber hinaus aber keine Offroad-Erfahrung. Ziehen Sie sie trotzdem in Erwägung?

Ich möchte nicht über einzelne Namen reden. Dass Sophia seit Jahren in verschiedenen Funktionen mit der HWA zusammenarbeitet, ist ja bekannt. Aber es muss ins große Ganze passen, und da müssen wir uns erst mal ein Bild machen. Es hängt ja auch nicht nur von uns ab. Sophia hat auch Pläne für das nächste Jahr, und die müssten dann auch zeitlich zusammenpassen. Ich denke, es wird 2021 grundsätzlich im Motorsport schwierig, auf zwei, drei, vier Hochzeiten zu tanzen, weil die Wahrscheinlichkeit besteht, dass es (durch die Corona-Pandemie) zur einen oder anderen Terminverschiebung kommen wird. Das haben wir bislang nie ins Kalkül gezogen, aber mit den Learnings aus diesem Jahr ist das durchaus eine relevante Challenge.

Ursprünglich plante die Extreme E, dass Hersteller Komponenten wie den Antriebsstrang und die Karosserie selbst entwickeln dürfen. Das hat sich inzwischen geändert…

Eigene Entwicklungen sind derzeit nicht geplant. Wir bekommen ein Standardauto übergeben, ähnlich wie es in er Formel 2 und Formel 3 ist, wo wir auch unterwegs sind. Oder in der ersten Formel-E-Saison. Das Team, welches das Material am besten versteht und einzusetzen weiß, wird am wettbewerbsfähigsten sein. Wir müssen viel über das Energiemanagement lernen, über die Fahrwerkseinstellungen und so weiter. Perspektivisch gibt es sicherlich die Möglichkeit, dass es irgendwann größere Freiräume gibt, ähnlich wie in der Formel E. Aber an dem Punkt sind wir noch nicht.

Wie sieht Ihr Programm für die Monate bis zum Saisonstart aus? Gibt es eigene Testfahrten?

Aktuell bauen wir mit Nachdruck das Team auf und beschäftigen uns mit der Fahrer-Frage. Es geht darum, das Auto zu verstehen. Mit Blick auf eigene Tests erlaubt das Reglement nicht allzu viel. Wir dürfen einen Shakedown mit dem Produkt machen, also nur ein Tag pro Team. Und im Dezember gibt es dann gemeinsame Testfahrten mit insgesamt vier Testtagen. Das war's eigentlich schon.

Haben Sie das Auto denn bereits?

Seit Anfang dieser Woche (Interview war in KW 44) steht das Fahrzeug in Frankreich und wartet auf seine Abholung. Es wird also schon sehr bald bei uns sein.

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