Formel E

Power-Ranking: Unsere Fahrer-Bewertung nach dem Formel-E-Saisonstart in Diriyya

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Der erste Sieger der neuen Formel-E-Saison heißt Antonio Felix da Costa. In einem hart umkämpften Rennen in Diriyya setzte sich der 27-Jährige gegen seine Konkurrenz durch und nahm bei der Siegerehrung feierlich seinen ersten Formel-E-Pokal seit Januar 2015 (Buenos Aires E-Prix) entgegen. Doch trotz seiner starken Leistung im neuen BMW iFE.18 hatte er -  jedenfalls nach Meinung der e-Formel.de Redaktion - nicht das beste Rennwochenende aller Fahrer.

Im Formel-E-Power-Ranking, einer neuen Artikelserie auf e-Formel.de, bewertet unsere Redaktion nach den Rennen jeden Fahrer auf Grundlage seiner Fahrleistung am Rennwochenende - ganz unabhängig von seinem Material oder unverschuldeten Ausfällen. Die kumulierten Meinungen unserer Redakteure ergeben am Ende eine Top-10-Liste zum Wochenende. Diese zehn Fahrer haben in Diriyya nach unserer subjektiven Einschätzung die besten Einzelleistungen gezeigt. Eine ausführliche Erklärung der Kalkulationsmethode findest du auf Deutsch und Englisch hier.

Das e-Formel.de Power-Ranking nach dem Diriyya E-Prix

Der amtierende Formel-E-Champion Jean-Eric Vergne präsentierte sich in Diriyya direkt wieder von seiner besten Seite. Von Startplatz 5 ausgehend kämpfte sich der Franzose in der ersten Rennhälfte fast mühelos an die Spitze des Feldes vor, ehe er bedingt durch eine Durchfahrtsstrafe nach hinten gespült wurde: Die FIA-Sensoren stellten im Rennen fest, dass sein Team eine veraltete Batterie-Software installiert hatte.

Ohne eigenes Verschulden musste Vergne das Feld somit 15 Minuten vor Rennende erneut von seiner ursprünglichen Position aus aufrollen. Bereits fünf Minuten später war er wieder auf Podiumskurs, weitere fünf Minuten später zurück auf Platz 2. In der letzten Runde wagte Vergne gar einen Angriff auf die Spitze, der letztlich jedoch nicht gelang. Kurzum: eine bärenstarke Leistung von einem Fahrer, den wir in diesem Jahr ganz sicher wieder auf dem Plan haben müssen. Als logische Konsequenz haben wir Vergne auf Platz 1 des ersten Power-Rankings platziert.

Nach zwei harten Jahren im - seien wir ehrlich - zweitklassigen Andretti-Team hat Antonio Felix da Costa nach dem Diriyya E-Prix jeden Grund zur Freude. Zum ersten Mal seit seinem Überraschungssieg in Argentinien 2015 konnte sich der charismatische Portugiese auf dem Formel-E-Podium feiern lassen. Und das aus gutem Grund.

Ohne Frage schlummerte das Talent von Felix da Costa auch während seiner Andretti-Zeit in ihm. Bislang war er 2018 allerdings von Pleiten, Pech und Pannen verfolgt. Niemand landete in der vergangenen Saison häufiger auf dem elften Platz als der ehemalige Red-Bull-Nachwuchsfahrer. Umso erfreulicher ist es, dass der Portugiese nun verdientermaßen die Früchte seiner harten Arbeit ernten kann. Antonio Felix da Costa hat in Diriyya einmal mehr sein überragendes Talent unter Beweis gestellt. Sicherlich ist es noch zu früh, über Titelambitionen zu reden. Auf der Favoriten-Liste steht der Hobby-Surfer nach dem Diriyya-Rennen aber allemal.

Jerome d'Ambrosio lieferte ein tadelloses Rennwochenende ab und nimmt aus Diriyya verdienterweise Silberware im Handgepäck mit nach Hause. Im ersten Rennen mit seinem neuen Mahindra-Team auf das Podium zu fahren, zeugt von großem fahrerischen Können. Der 32-Jährige könnte sich im Verlauf der Saison womöglich als Geheimfavorit etablieren. Gerade in Anbetracht dessen, dass sich d'Ambrosios erfahrenerer Diriyya-Teamkollege Felix Rosenqvist, der im Sommer mehrere Testtage mit dem Team absolvierte und hunderte Kilometer Erfahrung im M5Electro hat, in Saudi-Arabien schwer tat.

Von der reinen Geschwindigkeit her ist sein Mahindra-Renner wohl langsamer als die Konkurrenz von BMW oder DS. Dennoch hätte d'Ambrosio ohne das Safety-Car in der Schlussphase des E-Prix womöglich Platz 2 für die Inder eingefahren. Dies ist vor allem sein Verdienst. Wir sehen ihn deswegen in den Top 3 des Power-Rankings.

Nach drei schweren ersten Jahren in der Formel E ist Jose Maria Lopez zum ersten Mal seit seinem WTCC-Titelgewinn 2016 zurück auf Podiumskurs. Einerseits ist Lopez' Dragon scheinbar konkurrenzfähiger als im letzten Jahr. Andererseits liegt das gute Resultat aber auch an der fahrerischen Leistung von Lopez, der im chaotischen Qualifying nicht nur in die Top 3 schoss, sondern auch im Rennen rundenlang die Pace für Weltklasse-Piloten wie Buemi oder d'Ambrosio vorgab.

Welches Talent im Argentinier schlummert, stellte er schon in der vergangenen Saison unter Beweis, als er quasi im Alleingang Dragon Racing aus dem Performance-Tief beim Saisonstart holte. Im neuen Jahr scheint sein Rennteam ihm endlich auch das Material für die passenden Ergebnisse zu seiner Performance zur Verfügung stellen zu können. Von Jose Maria Lopez können wir in diesem Jahr sicherlich Großes erwarten.

Jaguar Racing scheint - ähnlich wie schon in der vorausgegangenen Saison, nicht das beste Fahrzeug im Feld zu haben. Trotzdem schob sich der Neuseeländer Mitch Evans in einem unauffälligen Rennen Position um Position nach vorn. Mit Platz 4 wiederholte Evans sein bestes "On-Track"-Ergebnis (in Hongkong 2017 rutschte er nach einer Disqualifikation des Rennsiegers Daniel Abt im Nachhinein auf Platz 3 vor). Er holte nicht nur alles aus seinem Rennwagen heraus, sondern ließ Teamkollege Nelson Piquet jr. auch erneut alt aussehen.

Ähnlich wie sein Teamkollege Jean-Eric Vergne verlor auch DS-Mann Andre Lotterer im letzten Drittel des Rennens in Folge einer Durchfahrtsstrafe mehrere Positionen. Zuvor qualifizierte sich Lotterer im verregneten Chaos-Qualifying von Diriyya auf einem vergleichsweise enttäuschenden Startplatz 7. Vor seiner Strafe pflügte der gebürtige Duisburger dennoch mit Leichtigkeit durch das Feld und befand sich - Attack-Mode-Manöver gegen Felix da Costa sei Dank - nach einer knappen halben Stunde auf Position 2.

Trotzdem wäre, das muss festgehalten werden, im offensichtlich überlegenen DS-Renner mehr möglich gewesen. Im Zweikampf verteidigte oder attackierte Lotterer wie gewohnt aggressiv, hart aber zugleich fair. Dennoch zeigte sich Vergne im direkten Teamkollegen-Vergleich kühler und kompromissloser als der 37-Jährige. Entsprechend stand der Franzose am Ende des Rennens auf dem Podium - und Lotterer nicht.

Oliver Rowlands Debüt im Dress von Nissan e.dams war ein Einstand nach Maß: Von Startposition 14 ausgehend überquerte der Brite die Ziellinie nur wenige Meter hinter seinem Teamkollegen Sebastien Buemi auf Rang 6. Rowland ist damit der am besten platzierte "Rookie" in Diriyya, wenngleich er genau genommen nach seinem einmaligen Renneinsatz in Uruguay 2015 kein Neuling in der Formel E.

Dennoch hat sich die Technologie der Formel E in der Zwischenzeit grundlegend geändert. Allein die Antriebsstränge durchliefen in der Zwischenzeit mehrere Entwicklungen. Hinzu kommen ein neues Fahrgefühl durch das neue Chassis, eine überarbeitete Aufhängung oder das Brake-by-Wire-Bremssystem. Für Rowland dürfte sich der Lauf in Saudi-Arabien ohne Frage wie eine Premiere angefühlt haben.

Abgesehen vom eindeutigen Frühstart des Briten, den die Rennleitung unerklärlicherweise nicht ahndete, zeigte er das klar beste Debüt aller Neulinge in der Formel E. Es wird ganz sicher spannend sein, den 26-Jährigen im Verlauf der Saison zu verfolgen. Kann er möglicherweise Sebastien Buemi die Stirn bieten?

Stoffel Vandoornes Formel-E-Debüt lief zwar nicht immer nach Plan. Dennoch darf der Belgier gut und gerne mit einem positiven Gefühl aus Diriyya abreisen. Aufgrund von technischen Problemen fiel Vandoornes Rennen nicht sonderlich erfolgreich aus: Runde um Runde verlor der Ex-Formel-1-Starter an Positionen. Am Ende reichte es nur für Platz 16 - Erinnerungen aus seiner McLaren-Zeit werden wach.

Nichtsdestotrotz: Auf eine Runde zeigte Vandoorne sowohl im Training als auch im Qualifying eine überragende Pace, die stellenweise an Jean-Eric Vergnes furioses Formel-E-Debüt in Punta del Este 2014 erinnerte. Der Grund für die miserable Form im Rennen lag im Übrigen an einem technischen Grund, den das Team laut Eigenaussage am Testtag nach dem Rennen gefunden und behoben haben will. Für das Rennen in Marrakesch ist Vandoorne ohne Frage ein Punkte-Kandidat.

Sebastien Buemi lieferte in Diriyya ein solides Rennwochenende ab, wenngleich das finale Rennergebnis nicht das vollständige fahrerische Potenzial das Schweizers widerspiegelt. Direkt am Start überholte er seinen WEC-Teamkollegen Jose Maria Lopez für Platz 2, den er für mehrere Runden verteidigen konnte. Letztendlich musste sich Buemi jedoch den heranfliegenden DS-Piloten Vergne und Lotterer geschlagen geben.

Im Anschluss überholten ihn in einem waghalsigen Doppel-Manöver auch Lopez und Jerome d'Ambrosio. Buemi fiel auf Position 6 zurück. Im Rennen fehlte es Buemi nicht an fahrerischem Speed, sondern vielmehr an einem konkurrenzfähigen Antrieb. Beim nächsten Rennen wird auch er alles daran setzen, seinen Nissan in die vorderen Punkteränge zu manövrieren. Dass er das fahrerische Können dazu hat, ist unbestritten.

Auch wenn Audis unterdurchschnittliche Performance in Diriyya keine guten Ergebnisse zur Folge hatte, darf einer in unseren Top 10 keineswegs fehlen: Lucas di Grassi. Der Brasilianer konnte das Rennen nach einer Strafversetzung wegen eines Software-Fehlers, der zu einer kurzzeitigen unerlaubten Leistungsspitze führte, unverschuldet nur von Startplatz 18 aus angehen. Dass di Grassi es trotzdem schaffte, neun Fahrer zu überholen und sich bis in die Punkteränge vorzukämpfen, überzeugte auch uns.

Stimmst du unserer Wertung zu? Welchen Fahrer hättest du eher in den Top 10 gesehen - und wer passt deiner Meinung nach gar nicht ins Ranking? Wir freuen uns auf deine Meinung in den Kommentaren und warten gespannt auf das nächste Formel-E-Rennen, das nach dem Jahreswechsel am 12. Januar 2019 in Marrakesch stattfindet.

Zurück

0 Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Was ist die Summe aus 6 und 1?
Advertisement