Formel E

Power-Ranking: Unsere Fahrer-Bewertung nach dem Hongkong E-Prix

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Der Zweikampf zwischen Sam Bird und Andre Lotterer um den Rennsieg in Hongkong lieferte ohne Frage neuen Stoff für die Geschichtsbücher der Formel E. Das packende Duell auf Augenhöhe zwischen dem Virgin- und dem DS-Piloten zog sich über eine halbe Stunde hin. Rundenlang jagte Bird seinen Rivalen um den engen Stadtkurs der chinesischen Sonderverwaltungszone, ehe der bis in die vorletzte Runde Führende Lotterer nach Kontakt mit einem Plattfuß bis auf Platz 14 zurückfiel. Bird gewann das Rennen, wurde durch eine nachträgliche Strafe allerdings nur noch als Sechster gewertet.

Stattdessen feierten Venturi und Edoardo Mortara den ersten Sieg der Monegassen in der Formel E. Der Schweizer hielt sich in einem - abgesehen vom Führungsduell - vergleichsweise ruhigen Rennen aus allen Gefahren heraus und profitierte durch die nachträgliche Bird-Bestrafung. Lucas di Grassi (Audi) und Robin Frijns (Virgin) rückten auf die Plätze 2 und 3 vor.

Im Anschluss an den Hongkong-Lauf der Formel E haben unsere Redakteure im "e-Formel.de Power-Ranking" erneut die Einzelleistungen aller Fahrer bewertet - ganz unabhängig vom Material oder unverschuldeten Ausfällen und völlig subjektiv. Die Bewertungen werden für jeweils drei Rennen beibehalten, um einen "Performance-Trend" darstellen zu können. Auch die E-Prix von Chile und Mexiko spielen in unserem aktuellen Ranking also noch eine Rolle. Eine ausführliche Erklärung der Berechnung unseres Power-Rankings haben wir dir auf Deutsch und Englisch bereitgestellt.

Wie zuletzt bekommen wir auch in dieser Ausgabe des Power-Rankings Unterstützung von einem unabhängigen Medienkollegen außerhalb unserer e-Formel.de Redaktion. Dieses Mal hat 'Formula Spy'-Journalist Chris Stevens seine Einschätzung zum E-Prix eingereicht.

Das e-Formel.de Power-Ranking nach dem Hongkong E-Prix

Tageswertung: 7.5 Punkte | Gesamtwertung: 6.9 Punkte

Nach drei starken Rennen in Folge übernimmt ausgerechnet Hongkong-Rennsieger Edoardo Mortara die Spitze in unserem Formel-E-Power-Ranking. Dabei bekam man vom charismatischen Schweizer im Verlauf des E-Prix nur kaum etwas in den Fernsehbildern mit. Dennoch: Während sich Bird und Lotterer an der Front um den Rennsieg stritten, pflügte Mortara nach einer starken Qualifikation (und trotz einer Strafversetzung um drei Positionen) von Startplatz 6 durch das Feld und wurde, wie bereits in Mexiko, Nutznießer des Chaos an der Spitze.

Mortara war zur rechten Zeit am rechten Ort, hielt sich aus dem hitzigen Zweikampf um den Rennsieg heraus und gewann verdientermaßen sein erstes Rennen in der Formel E. Der Sieg ist gewissermaßen Mortaras "Payback" für das tragische Ende des zweiten Hongkong-Rennens 2017, das er ebenfalls beinahe gewonnen hätte. Nach zwei Nullnummern zum Saisonstart wurde er in Chile Vierter, in Mexiko Dritter - und nun in Hongkong Erster. Mal sehen, wie es für den neuen Vierten der Fahrerwertung im Verlauf der Saison weitergeht...

Tageswertung: 7.2 Punkte | Gesamtwertung: 6.4 Punkte

Der Virgin-Pilot Sam Bird etabliert sich mit dem dritten starken Rennen in Folge langsam aber sicher als Anwärter auf den Formel-E-Titel 2018/19. Als Jäger setzte er Lotterer rundenlang mit all seiner Erfahrung unter Druck und hatte augenscheinlich das Material, um den E-Prix zu gewinnen. Umso unreifer wirkte dann jedoch Birds überhastetes Manöver zwei Runden vor Schluss, als er den Hinterreifen von Lotterer im Führungskampf aufschlitzte und den bis dahin Führenden auf Platz 14 zurückwarf. Die 5-Sekunden-Zeistrafe ist - gerade in Anbetracht des Strafmaßes aus den vorausgegangenen Rennen - durchaus angebracht. Abgesehen von dieser einen Szene, die die Schlagzeilen nach dem Rennen dominieren sollte, fuhr Bird dennoch erneut ein gutes Rennen und darf im Gesamtbild mit seinem Hongkong-Wochenende zufrieden sein.

Tageswertung: 0.0 Punkte | Gesamtwertung: 6.2 Punkte

Einzig und allein Wehrleins solide Fahrleistungen in Chile und Mexiko halten den Deutschen noch in den vorderen Rängen unseres Power-Rankings. Nach dem Höhenflug des Mahindra-Piloten zum Karriereastart in der Formel E folgte in Hongkong der erste tiefe Fall: Bei schwierigen Witterungsbedingungen beendete Wehrlein keine einzige Session auf einem besseren Platz als Rang 17. Und selbst da lag er mit der besten Zeit seines Wochenendes immer noch 3,2 Sekunden hinter dem Führenden.

Sein Rennen fand schon sehr früh im Heck von Felipe Nasr (Dragon) ein Ende, als der Brasilianer seinen Rennwagen in die Streckenbegrenzung setzte und Wehrlein - fast sinnbildlich für sein Wochenende - chancenlos auffuhr. Für den 24-Jährigen lief in Hongkong einfach ausgedrückt nichts zusammen. Immerhin bekommt er schon in eineinhalb Wochen in Sanya die Chance, sein Resultat wieder geradezurücken.

Tageswertung: 4.2 Punkte | Gesamtwertung: 5.4 Punkte

Zum insgesamt 29. Mal fuhr der Brasilianer am vergangenen Wochenende aufs Podium - eine beeindruckende Quote von 58 Prozent. Ohne Frage gehört di Grassi weiterhin zu den besten Fahrern der Formel E, wenngleich ihm wohl auch sein durchaus potenter Audi-Antriebsstrang in Hongkong zu Platz 2 verhalf. Doch auch unabhängig von seinem Antrieb fuhr di Grassi, wie bereits in Mexiko-Stadt, ein kluges und geduldiges Rennen, nach dem er sich auf Gesamtrang 3 in der Fahrerwertung erneut im Titelkampf ins Spiel brachte. Durch die überragenden Wertungen aus dem vorausgegangenen Rennen in Mittelamerika hält di Grassi weiterhin den Anschluss an die Top 3 des Power-Rankings.

Tageswertung: 5.8 Punkte | Gesamtwertung: 4.6 Punkte

Mit dem Leitspruch "Hätte, hätte, Fahrradkette" lassen sich die letzten E-Prix für Oliver Rowland wohl am besten zusammenfassen. Dass Nissan e.dams in diesem Jahr großes Potenzial hat, stellte das japanisch-französische Team bereits in Santiago und Mexiko-Stadt unter Beweis. Und auch in Hongkong kämpfte wieder einer der beiden Fahrer um den Sieg mit - in diesem Falle Rowland. Erneut nahm das Team allerdings keine Punkte aus dem Rennwochenende mit. Rowland führte das Rennen nach einem blitzsauberen Start zwischenzeitlich bis in Runde 6 sogar an, ehe ihm ein bizarrer Fauxpas nach einem Kontakt mit Sam Bird passierte.

Der Brite schob seinen Landsmann in der Haarnadelkurve 1 an, wodurch Rowland das Lenkrad aus den Händen verlor und "aus Versehen" den Full-Course-Yellow-Geschwindigkeitsbegrenzer aktivierte. Beim Herausbeschleunigen kam Rowland somit nur auf gerade einmal 50 km/h, drückte wild Knöpfe auf dem Lenkrad und konnte sich erst nach mehreren Sekunden wieder in Renngeschwindigkeit in den Lauf einsortieren. Bis dahin war er allerdings bis auf Platz 10 zurückgefallen.

Der Rest des E-Prix verlief für Rowland ruppig: Er presste sich mit Gewalt an Abt und Paffett vorbei und beendete das Rennen, nachdem er "so ziemlich jede Mauer mitgenommen" hatte, auf Platz 12 liegend vorzeitig mit einem Aufhängungsbruch. Aus viel Potenzial schöpfte Rowland leider erneut kein Resultat, mit dem er zufrieden sein kann. Immerhin: Seine Leistungen vor den Ausfällen in den vergangenen beiden E-Prix machen Hoffnung auf bessere Ergebnisse in der Zukunft.

Tageswertung: 9.8 Punkte | Gesamtwertung: 3.5 Punkte

Andre Lotterer ist der tragische Held des Hongkong E-Prix 2019. Nach dem bizarren Rowland-Vorfall pirschte er sich an den zwischenzeitlich Führenden Sam Bird heran, überholte den Virgin-Mann und verteidigte sich mit einer bärenstarken Leistung über eine halbe Stunde gegen den Santiago-Rennsieger. Im Positionskampf kollidierte er schließlich zwei Runden vor der karierten Flagge mit Bird. Lotterer rettete sich mit einem Plattfuß nur auf Platz 14 ins Ziel: Null Punkte statt seines ersten Karrieresiegs.

Die ausgezeichnete Defensiv-Leistung des gebürtigen Duisburgers wird auch von unserer Redaktion wertgeschätzt. Mit 9,8 von 10 möglichen Punkten erzielt Lotterer das beste Ergebnis eines Fahrers in der noch jungen Geschichte unseres Power-Rankings. Nur ein einziger Redakteur gab ihm nicht die Bestnote. Seine Resultate aus den letzten Rennen, die wie üblich auch in dieser Wertung eine Rolle spielen, ziehen seinen Punkteschnitt dennoch ein wenig herunter. Letztendlich reicht es für Platz 6 im Power-Ranking.

Tageswertung: 4.5 Punkte | Gesamtwertung: 3.1 Punkte

Ein erneut unzufriedenstellendes Qualifying stand einem perfekten Rennwochenende  für Robin Frijns wie zuletzt in Mexiko im Weg. Trotzdem: Aus dem E-Prix holte der Niederländer alles heraus und überquerte den Zielstrich trotz Startplatz 10 auf einem guten vierten Platz. Durch die Zeistrafe für seinen Teamkollegen Bird wurde Frijns schlussendlich sogar als Dritter gewertet, und er nahm 15 wichtige Punkte für die Meisterschaft mit. Ähnlich wie di Grassi hielt sich der Virgin-Pilot aus allen Dramen heraus und fuhr "mit Köpfchen" ein gutes Resultat ein, durch das auch er sich in Schlagdistanz in der Fahrerwertung brachte.

Tageswertung: 2.7 Punkte | Gesamtwertung: 3.0 Punkte

Der deutsche Publikumsliebling Daniel Abt zeigte in Hongkong erneut ein kämpferisches Rennen. Von Startrang 12 ausgehend durchlebte er ein hektisches Rennen, in dem er sich teils beinharte Duelle mit mehreren Fahrern lieferte. Nach einem Kontakt mit Oliver Rowland musste Abt beispielsweise ohne rechten Rückspiegel ins Ziel fahren. Auch er bestritt ein intelligentes (aber unauffälliges) Rennen und nahm nach der Bird-Strafe als Vierter zwölf Punkte für sein Meisterschaftskonto mit.

Tageswertung: 0.3 Punkte | Gesamtwertung: 2.6 Punkte

Mit Oliver Rowland hat Sebastien Buemi zum ersten Mal seit Jahren einen Teamkollegen an der Seite, der ihm die Stirn bieten kann. Wieder einmal musste er sich im Qualifying dem Briten geschlagen geben. Und auch im Rennen stand er klar im Schatten seines Teampartners. Dennoch war Buemi, der den E-Prix nach guten Leistungen auf einzelnen schnellen Runden im Qualifying von Platz 8 aufnahm, auf dem Weg zu guten Punkten in Hongkong. Schlussendlich sorgte jedoch, wie auch bei Rowland, eine gebrochene Aufhängung dafür, dass er in Runde 20 ausrollte und den E-Prix vorzeitig und ohne Punkte beenden musste.

Tageswertung: 6.3 Punkte | Gesamtwertung: 2.5 Punkte

Langsam aber sicher kommt der Stein auch bei HWA ins Rollen. Schon in den letzten Rennen zeigte Vandoorne starke Einzelleistungen, beispielsweise als er in Santiago bis zu einem Fahrfehler über weite Strecken des Rennens auf Podiumskurs lag.

In Hongkong stellte er seinen Renner bei starkem Regen im Super-Pole-Qualifying sensationell erstmals auf die Pole-Position. Im Rennen ging es dann allerdings nur nach hinten: Runde um Runde wurde Vandoorne, dessen Auto womöglich auf regnerische Bedingungen ausgelegt war, durchgereicht. Schlussendlich beendete er das Rennen nach einem Bruch seiner Antriebswelle auf Platz 4 liegend vorzeitig. Trotzdem: Es wird.

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