Power-Ranking: Unsere Fahrer-Bewertung nach dem New York E-Prix
Tobias Bluhm
Mit einem spannenden E-Prix-Wochenende in New York City beschloss die Formel E vor wenigen Tagen am "Big Apple" ihre bislang vielleicht spannendste Saison. Trotz zweier enttäuschender Rennen konnte der Franzose Jean-Eric Vergne dabei als erster Pilot der Elektroserie seinen Meistertitel verteidigen. Grund zur Freude gab es auch für Vergnes Team DS Techeetah, das sich erstmals den Titel in der Teammeisterschaft sicherte.
Nach jedem Rennen der Formel-E-Saison 2018/19 stellt e-Formel.de in der Power-Ranking-Serie eine Liste der Fahrer zusammen, die die Redaktion am vorausgegangenen Wochenende am meisten überzeugt haben - ganz unabhängig von ihrem Material. Jede Wertung wird dabei für drei Rennen beibehalten, sodass das jeweilige Power-Ranking auch die Stimmen der beiden vorausgegangenen E-Prix umfasst. Eine ausführliche Erklärung der Berechnung unseres Power-Rankings haben wir dir auf Deutsch und Englisch bereitgestellt.
Das e-Formel.de Power-Ranking kann und soll keine Aussage über die tatsächliche Meisterschaftssituation treffen, sondern lediglich aufzeigen, welche Piloten im aktuellen Abschnitt der Saison das subjektiv betrachtet beste Momentum auf ihrer Seite hatten. Wie zuletzt bekommen wir auch in dieser Ausgabe zum New York E-Prix Unterstützung von einem unabhängigen Medienkollegen von außerhalb unserer Redaktion. Diesmal hat Hazel Southwell von 'RaceFans.net' ihre Einschätzung zum Rennwochenende eingereicht. Vielen Dank!
Das e-Formel.de Power-Ranking nach dem New York City E-Prix
Sebastien Buemi: Wochenend-Wertung: 9.2 Punkte | Gesamtwertung: 7.4 Punkte
Hinter Nissan e.dams liegt eine regelrechte Achterbahn-Saison. Während Oliver Rowlands Performance seit den späten Europa-E-Prix inmitten der Doppelmotor-Kontroverse um den französisch-japanischen Rennstall stark abbaute, fand Sebastien Buemi in den letzten Rennen immer mehr zu seiner Performance aus den Jahren 2014 bis 2017 zurück.
Seit Monaco fuhr der Schweizer wie ausgewechselt. Platz 4 im Fürstentum, Platz 2 in Berlin, Platz 3 in Bern sowie zwei weitere Podien in New York stehen nun hinter dem Namen Buemis. Viel wichtiger jedoch: Im Samstagsrennen von New York sicherte sich der 30-Jährige zum ersten Mal seit Juni 2017 einen Rennsieg in der Elektroserie. Zu diesem Zeitpunkt lag sein letzter Triumph beim Berlin-Rennen in Saison 3 stolze 762 Tage (25 Rennen) zurück.
Dank seines beeindruckenden Schlussspurts beendete Buemi die Saison hinter Jean-Eric Vergne als Vizemeister - und das, obwohl er nach dem Paris E-Prix im April noch auf Platz 13 in der Gesamtwertung lag. Die finalen drei Rennwochenenden finden auch bei unseren Redakteuren Anklang, die Buemi mit der besten Wochenend-Wertung zum überzeugendsten Fahrer des Saison-Abschlusses krönten.
Lucas di Grassi: Wochenend-Wertung: 4.6 Punkte | Gesamtwertung: 6.0 Punkte
Dass sich Lucas di Grassi bis zum letzten Rennen dieser Saison im Kampf um den Titel halten konnte, ist kein Zufall. Im Laufe des Jahres ließ der Brasilianer immer wieder sein großes fahrerisches Talent durchscheinen. Trotz zweier Rennsiege muss jedoch auch festgehalten werden: Am Ende war es einfach nicht genug.
In New York litt di Grassi zum wiederholten Male unter seiner Qualifying-Gruppe, weshalb er die beiden Rennen nur von den Plätzen 14 beziehungsweise 11 aufnehmen konnte. Mit maximalem Kampfgeist versuchte er dennoch, Platz um Platz gutzumachen. Während er den Samstags-E-Prix auf einem beeindruckenden fünften Rang beenden konnte, wurde er am Sonntag in der letzten Runde unschuldig auf Platz 7 liegend von Mitch Evans aus dem Rennen gerissen. Zwar hätten die verlorenen Punkte keinen Unterschied in seiner finalen Meisterschaftsposition gemacht. Ärgerlich ist der Ausfall trotzdem.
Jean-Eric Vergne: Wochenend-Wertung: 0.2 Punkte | Gesamtwertung: 5.5 Punkte
Das Wichtigste an erster Stelle: Herzlichen Glückwunsch zur Titelverteidigung, JEV! Der Franzose kann, ähnlich wie Sebastien Buemi, auf einen unglaublichen Schlusssprint in der Saison 2018/19 zurückblicken. Realistisch betrachtet hatte er seinen Titel nach den Siegen von Monaco und Bern sowie dem Podium in Berlin bereits sicher. Umso überraschender ist es aber, wie sehr Vergne in New York unter dem Druck, womöglich doch noch Konkurrenz zu bekommen, zu leiden schien.
Besonders die in den sozialen Medien heftig diskutierte Teamfunk-Kontroverse vom Samstag gab einen Einblick in die Gefühlslage Vergnes. Verzweifelt bat er sein Team nach einem frühen Boxenstopp darum, Andre Lotterer anzuweisen, sein Auto auf der Strecke abzustellen und somit eine Safety-Car-Phase zu verursachen. Der angebliche Grund sei Vergnes Angst um die Sicherheit der anderen Fahrer gewesen. Schließlich verteilte Lotterer nach einem Unfall in Runde 1 jede Menge Trümmerteile auf dem Kurs von New York.
Man mag ihm glauben oder nicht. Vergne hätte dennoch wissen müssen, dass so eine Forderung im Team-Radio, das jeder über die Formel-E-App öffentlich mithören kann, auffliegt. Mit seiner Sozialstrafe ist der Franzose für seine grobe Unsportlichkeit wohl sehr milde davongekommen.
Doch auch abgesehen davon erlebte der 29-Jährige kein gutes Wochenende. Nach einem Rowdy-Rennen am Samstag fuhr Vergne am Sonntag nur im Mittelfeld mit. Möglicherweise hielt er sich dabei absichtlich aus allen Scharmützeln heraus, um seinen Titel nicht zu gefährden. Der Sonntags-E-Prix von New York war jedoch ebenfalls keine "Sternstunde" in seiner Saison. Von unserer Redaktion gab es daher nur 0,2 Punkte für seine Wochenend-Leistung. Dank guter Wertungen aus Berlin und Bern bleibt "JEV" trotzdem berechtigterweise in den Top 3 unseres Power-Rankings - und ist verdientermaßen der erste Doppel-Champion der Formel E.
Mitch Evans: Wochenend-Wertung: 4.4 Punkte | Gesamtwertung: 4.7 Punkte
Mitch Evans hat in New York jede Menge richtig gemacht. Zwar profitierte er am Samstag auch vom Ausfall seines Jaguar-Teamkollegen Lynn. Trotzdem sind zwei zweite Plätze in den drei Rennen von Bern und New York eine toller Erfolg für den Neuseeländer, der bis zuletzt noch seine Chancen auf den Titel in der Formel E wahrte. Für die nächste Saison muss man Evans zweifelsohne wieder auf dem Radar haben.
Alexander Sims: Wochenend-Wertung: 9.0 Punkte | Gesamtwertung: 4.5 Punkte
Am letzten Wochenende der Saison ist der Knoten bei Alexander Sims endlich geplatzt. P1, P4, P4, P5, P4, P3, P1, P1, P2: Das waren die Ergebnisse des Briten in allen Sessions von New York. Nach seinem Marrakesch-Unfall mit Teamkollege Antonio Felix da Costa spielte Sims bei BMW für den Rest der Saison klar die "zweite Geige". Noch im Samstagsrennen musste er einen Podiumsplatz opfern, damit sich Felix da Costa Platz 5 in der Fahrerwertung holen konnte (was dem Portugiesen nach dem Frijns-Sieg am Sonntag übrigens nicht gelang).
Umso mehr muss man sich für Sims freuen, dass er sich im zweiten Rennen des Wochenendes die Pole-Position und den zweiten Platz holen konnte. Mit diesem Ergebnis findet eine katastrophale Saison für ihn doch noch einen zufriedenstellenden Abschluss. Zweifelsohne war Sims' New-York-Wochenende eine Bewerbung für eine Vertragsverlängerung mit den Münchenern. Ob es im Lichte der vorausgegangenen Rennen jedoch tatsächlich klappen wird, bleibt abzuwarten.
Sam Bird: Wochenend-Wertung: 4.6 Punkte | Gesamtwertung: 3.9 Punkte
Das Auf und Ab in Sam Birds Saison konnte der Brite in den letzten Rennen mit einigen guten Resultaten abfedern. Sicherlich gelten zwei vierte Plätze in den letzten drei Rennen für Bird nicht als riesiger Erfolg. Immerhin ist dieses Jahr das erste in seiner Formel-E-Karriere, in dem er vor dem letzten Rennwochenende keine Chance mehr auf den Titel hatte.
Trotzdem darf Bird gut und gerne - obwohl er in der Meisterschaft von seinem Teamkollegen mit einem Vorsprung von 21 Punkten geschlagen wurde - mit einem guten Gefühl aus New York in die Sommerpause starten. Oft hatte er in diesem Jahr kein Glück, bis dann auch noch Pech dazukam. Am "Big Apple" war Bird dennoch immer auf den vorderen Rängen dabei, auch wenn er nie der Schnellste war. Im Abschluss-Ranking unserer Redaktion hält er sich trotzdem klar in den Top 10.
Daniel Abt: Wochenend-Wertung: 6.4 Punkte | Gesamtwertung: 3.7 Punkte
Beflügelt vom neuen Vertrag zeigte Daniel Abt in New York eine bärenstarke Leistung. Man merkte dem Kemptener förmlich an, wie der Druck der bis zuletzt unsicheren Zukunft bei Audi von ihm abgefallen war. Am Samstag hätte er ein Podium verdient gehabt, verlor infolge eines missglückten Manövers gegen Sims kurz nach dem Safety-Car jedoch stolze sechs Positionen und fiel bis auf Platz 9 zurück. Letztlich wurde er Sechster.
Dass Abt trotzdem in beiden Rennen den Extra-Punkt für die schnellste Rennrunde mitnehmen konnte, zeugt von einer sehr starken Rennpace. Kann er auf seiner Form von New York aufbauen, wird er in der kommenden Saison wieder um Siege kämpfen können. Weiter so!
Antonio Felix da Costa: Wochenend-Wertung: 3.8 Punkte | Gesamtwertung: 3.3 Punkte
Ein eher unspektakuläres Rennwochenende erlebte Antonio Felix da Costa im zweiten BMW - und das, obwohl er am Samstag auf das Podium fuhr. Zwar profitierte der Portugiese dabei von einer Stallorder, die ihn an seinem Teamkollegen Sims vorbeibrachte. Trotzdem zeigte er am gesamten Samstag eine gute Leistung. Sonntags war der 27-Jährige etwas schwächer und konnte die Pace seiner direkten Konkurrenten nicht mehr mitgehen. Trotzdem ist ein sechster Platz in der Gesamtwertung im ersten Jahr mit BMW-Werksfahrzeug als Erfolg zu werten.
Stoffel Vandoorne: Wochenend-Wertung: 1.0 Punkte | Gesamtwertung: 3.0 Punkte
Auf wundersame Weise kratzte FANBOOST-Dauersieger Stoffel Vandoorne am Sonntag in New York wieder Punkte für sein Meisterschaftskonto zusammen. Erneut erreichte der Belgier dabei wohl ein besseres Resultat, als es das Auto mit dem Venturi-Antriebsstrang eigentlich zuließ. Abgesehen davon war der Ex-Formel-1-Fahrer in New York dort, wo er den Großteil der Saison verbrachte: im Mittelfeld. Dennoch ist Vandoorne nach seinem Rookie-Jahr mit HWA der Topkandidat für einen Einsatz mit dem Mercedes-Werksteam im nächsten Jahr. Und wer weiß, wie weit die Reise dann nach vorn geht?
Alex Lynn: Wochenend-Wertung: 3.6 Punkte | Gesamtwertung: 2.9 Punkte
Die Art und Weise, mit der sich Alex Lynn seit dem Rom E-Prix zurück in die Formel E gewunden hat, ist schwer beeindruckend. Von Rennen zu Rennen verbesserte sich der Brite, der schon in Berlin in Reichweite des Podiums fuhr. Dass letztlich "nur" zehn Punkte auf seinem Konto landeten, ist zu einem Großteil der streikenden Technik seines Rennwagens geschuldet.
Ähnlich wie beim Deutschland-E-Prix hatte Lynn in New York Chancen auf ein Top-3-Ergebnis. Womöglich wäre am "Big Apple" sogar ein Sieg möglich gewesen, konnte er doch am Samstag problemlos mit dem Tempo von Rennsieger Buemi mithalten und ihn unter Druck setzen. Ein Motorschaden setzte seinem erfolgsversprechenden Samstagsrennen jedoch vorzeitig ein Ende. Nach einer enttäuschenden Qualifikation am Sonntag in Kombination mit einer Strafe war für Lynn im zweiten Rennen dann nicht mehr viel zu holen. Auch er hat sich mit seiner steilen Leistungs- und Lernkurve bei Jaguar ohne Frage ins Spiel um einen Formel-E-Vertrag für die nächste Saison gebracht.
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