Formel E

Power-Ranking: Unsere Fahrer-Bewertung nach dem Swiss E-Prix

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Der Formel-E-Lauf in der Schweiz bot Spannung bis in die letzte Kurve. Nach einem Unfall am Rennstart widerstand Jean-Eric Vergne (DS) den wiederholten Angriffen von Mitch Evans (Jaguar), der den Franzosen rundenlang um den Kurs in Bern jagte. Dritter wurde Sebastien Buemi, Maximilian Günther (Dragon) wurde als bester Deutscher auf Platz 5 gewertet.

Drei Wochen vor dem New York E-Prix etablierte sich Vergne somit klar als Favorit im Titelkampf der aktuellen Saison 2018/19. Er wäre der erste Fahrer, der sich den Meisterschaftstitel in der Elektroserie zweimal sichern könnte. Ohnehin haben nur noch acht Fahrer die mathematische Chance, Vergne gefährlich werden zu können.

Welche Piloten neben dem DS-Mann das größte Momentum haben, wer mit guten Karten aus Bern abreist, und auf welche Piloten wir in New York achten müssen, soll unser e-Formel.de Power-Ranking feststellen. Nach jedem Rennen bewerten unsere Redakteure hierfür die Einzelleistungen aller Fahrer - ganz unabhängig vom Material oder unverschuldeten Ausfällen und vollkommen subjektiv. Starke Rennen mit unzureichenden Ergebnissen können somit wertgeschätzt werden, auch wenn unsere Bewertung selbstverständlich keine Aussagekraft über die tatsächliche Meisterschaftssituation treffen kann und soll.

Die Einzelwertungen werden für jeweils drei Rennen beibehalten, um einen Performance-Trend darstellen zu können. Auch die E-Prix von Monaco und Berlin spielen im aktuellen Ranking also noch eine Rolle. Eine ausführliche Erklärung der Berechnung unseres Power-Rankings haben wir dir auf Deutsch und Englisch bereitgestellt. Wie zuletzt bekommen wir auch in dieser Ausgabe Unterstützung von einem unabhängigen Medienkollegen von außerhalb unserer Redaktion. Dieses Mal hat Mathias Kainz von 'Nau.ch' seine Einschätzung zum E-Prix eingereicht. Vielen Dank!

Das e-Formel.de Power-Ranking nach dem Swiss E-Prix

Jean-Eric Vergne: Tageswertung: 8.6 Punkte | Gesamtwertung: 8.5 Punkte

Keine Frage: Jean-Eric Vergne hat endgültig den Schalter für die Mission Titelverteidigung umgelegt. In Bern erreichte der Franzose zum dritten Mal in den letzten drei Rennen das Podium. Schon während der Qualifikation machte er dabei alles richtig und positionierte sich - wohlgemerkt trotz seiner Teilnahme in der eigentlich benachteiligten Quali-Gruppe 1 - für den Rennstart auf der Pole-Position. Den ersten Rang sollte er bis zum Zieleinlauf nicht mehr abgeben: Vergne gewann sein drittes Rennen des Jahres und brachte sich damit vor dem New York E-Prix klar in die beste Ausgangsposition für den Titelkampf.

Es wird immer deutlicher, dass der 29-Jährige in der zweiten Saisonhälfte im besten Auto sitzt. Aber auch mit seinem blitzsauberen Fahrstil wehrte der Routinier alle Angriffe vom herannahenden Mitch Evans ab, der über weite Strecken des E-Prix besser aufgestellt war als der Franzose. Kann "JEV" diese Form mit in die USA nehmen, ist ihm der Meistertitel wohl kaum mehr zu nehmen.

Sebastien Buemi: Tageswertung: 5.6 Punkte | Gesamtwertung: 5.1 Punkte

Vor den Augen seiner Familie und des heimischen Publikums zeigte Lokalmatador Sebastien Buemi in Bern eine sehr gute Leistung. Mit dem auf einer Runde fast unschlagbaren Nissan-Antriebsstrang legte er, ganz genau wie Vergne, bereits in der Qualifikation den Grundstein für seinen Erfolg.

Dennoch bleibt nach dem Heimrennen auch bei Buemi die Erkenntnis: Im Rennen sind die Nissan-Fahrer ihrem zu ineffizienten Antriebsstrang ausgeliefert. Schon mehrmals wäre in dieser Saison mehr möglich gewesen, wenn er und sein Teamkollege Oliver Rowland nicht von ihrem Material im Stich gelassen worden wären. Somit kann der Schweizer zwar durchaus zufrieden mit seinem Bern E-Prix sein. Auf ein durchweg perfektes Wochenende blickt er aber nicht zurück. Umso mehr wäre nach einer starken Saison nun ein wahres Top-Resultat zum Saisonabschluss in den USA verdient.

Mitch Evans: Tageswertung: 9.4 Punkte | Gesamtwertung: 5.1 Punkte

Unsere Jury ist sich einig: Mitch Evans war in Bern der beste Fahrer des Tages. Der Neuseeländer kehrte in der Schweiz zu seiner herausragenden Rom-Form zurück und zeigte dabei erneut, dass er sein großes Fahrertalent, mit dem er 2012 in der GP3 auf den Radar der Topteams der Formel 1 trat, noch immer in sich trägt. Auf jeder anderen Strecke im Kalender hätte er durch die besseren Überholmöglichkeiten - ausgenommen vielleicht Monaco - den E-Prix gewonnen.

Da das Überholen in Bern aber ein nahezu unmögliches Unterfangen war, musste sich Evans nach 31 Runden mit Platz 2 zufriedengeben. Das, was der Jaguar-Fahrer in Bern zeigte, war eine wahrlich meisterliche Leistung. Mal sehen, was Evans in New York ausrichten kann. Immerhin ist er hinter Vergne und di Grassi jetzt auf Platz 3 im Gesamtstand der Fahrer…

Andre Lotterer: Tageswertung: 6.4 Punkte | Gesamtwertung: 4.7 Punkte

Zeitweilig war Andre Lotterer in Bern einer der stärksten und schnellsten Fahrer auf der Strecke. Auch dank seines fahrbaren Untersatzes holte er, den mangelnden Überholmöglichkeiten zum Trotz, ganze vier Plätze im Rennen auf. Wie immer war Lotterer auch in Bern brandgefährlich und von der reinen Pace her ein klarer Siegkandidat. Nach dem Zieleinlauf folgte dann jedoch die Hiobsbotschaft: Die Rennkommissare sprachen eine Zeitstrafe gegen den DS-Piloten aus, da er zuvor unerlaubterweise eine rote Boxenampel passiert hatte.

"Normalerweise fährt man bei einer roten Flagge in die Boxengasse. Als ich schon abgebogen war, kam jedoch die Nachricht, nicht in die Box zu gehen", beschrieb Lotterer die Situation nach dem Rennen bei den Kollegen von 'Motorsport-Total.com'. "Mein Team sagte mir dann, dass ich mich der Gruppe Autos anschließen sollte, die in Richtung Start/Ziel fuhr. Also fuhr ich an der Ampel vorbei, weil ich dachte, dass ich das so tun sollte, um der Neustartprozedur zu helfen."

Dabei ist die Regel eigentlich ganz klar: Vor einer roten Ampel muss angehalten werden, egal ob auf der Rennstrecke oder im Straßenverkehr. Und zwar unter allen Umständen. Auch, wenn der Rennstall es einem so aufträgt. Ob der Passus in diesem Fall so streng angewendet werden sollte, ist eine andere Diskussion. Fakt ist jedoch, dass er in seiner aktuellen Form ausnahmslos gilt. Rot ist rot.

Es ist daher zwar schön, dass Lotterer und DS Techeetah so kooperativ und sozial dachten. Geht man aber nur nach dem Regelwerk, gibt es an der Berechtigung der Strafe gegen den Deutschen nichts zu rütteln. Ärgerlich ist dies allemal, da Lotterer mit dieser Strafe womöglich seine letzten Titel-Hoffnungen verspielt hat.

Lucas di Grassi: Tageswertung: 3.4 Punkte | Gesamtwertung: 4.7 Punkte

Was war das für ein Theater mit Lucas di Grassi? In der Massenkarambolage am Rennstart holte der Brasilianer, der den E-Prix nach einem üblen Qualifying von Rang 19 aufnehmen musste, elf Plätze auf. Selbstverständlich sträubte er sich daher in der Rot-Phase nach dem Unfall vehement gegen die Entscheidung der Rennleitung, die Startaufstellung wiederherzustellen. In der Boxengasse bekam der arme FIA-Offizielle das gesamte südamerikanische Temperament von di Grassi und Massa zu spüren, die gemeinsam mit Antonio Felix da Costa lautstark gegen den Beschluss protestierten.

Dabei hatte Rennleiter Scot Elkins keine andere Wahl. Im Regelwerk der FIA steht klar: "Dans tous les cas, l’ordre sera établi au dernier point où il était possible de déterminer la position de toutes les voitures." Oder übersetzt ins Deutsche: "In jedem Fall wird die Reihenfolge der Fahrzeuge nach dem letzten Stand, an dem es möglich war, die Positionen aller Autos zu bestimmen, wiederhergestellt."

Selbst wenn di Grassi, Felix da Costa und Co. also eine Zeitmessungslinie überquert hatten und die rote Flagge erst ausgerufen wurde, als sich die "Gewinner" des Starts bereits in der Bergauf-Passage von Kurve 4 befanden, fehlten von mindestens acht Autos jegliche Fahrzeugdaten. Wäre der Unfall einige Kurven später passiert, wäre di Grassi wohl im Recht gewesen. So gab es für Elkins keine andere Wahl, als zur Startaufstellung, dem letzten ihm bekannten Zwischenstand aller Autos, zurückzukehren.

Unabhängig davon lieferte di Grassi ein starkes Rennen. Er zeigte in Bern eine tolle Leistung und pflügte nach dem Neustart von seinem Startplatz bis auf Rang 10 vor, der nach der Lotterer-Strafe zu Rang 9 wurde. Weiterhin hält er somit zwar Anschluss an Vergne, jedoch enteilte der Franzose durch seinen Sieg und die Pole-Position. Di Grassi braucht nach der Schadensbegrenzung von Bern nun zwei perfekte Rennen in New York, um zu kontern. Gelingt ihm dies nicht, sind seine Titelchancen endgültig passé.

Sam Bird: Tageswertung: 6.2 Punkte | Gesamtwertung: 3.9 Punkte

Sam Bird hat in Bern den Anschluss zu seiner Form vom Saisonstart gefunden. "Endlich!", möchte man beinahe jubeln. Nach drei enttäuschenden Monaten fand sich der Brite in der Schweiz erstmals seit seinem Sieg von Santiago in den Top 5 eines Rennens ein (in Hongkong spülte ihn eine nachträgliche Strafe von Platz 1 auf Platz 6 zurück).

Der erfahrene Virgin-Mann zeigte in Bern eine hervorragende Leistung, die einzig von seinem Fahrfehler im Platzkampf gegen Lotterer getrübt wird. Bird ließ sich zu sehr unter Druck setzen und musste den Deutschen passieren lassen. Dennoch fällt das Fazit für den 32-Jährigen positiv aus. Mal sehen, ob er seine Saison mit einem Höhepunkt in New York abschließen kann.

Antonio Felix da Costa: Tageswertung: 0.0 Punkte | Gesamtwertung: 3.5 Punkte

Ganz genau wie di Grassi wurde Antonio Felix da Costa zum großen Leidtragenden der Wiederherstellung der Startreihenfolge beim Neustart. Durch die Rückversetzung auf seinen Startplatz (Rang 20) war nicht mehr viel für den Portugiesen zu holen, auch wenn er auf Position 12 ins Ziel rollte. BMW blieb somit in Bern gänzlich punktlos. Schade, dass nicht mehr für Felix da Costa ging.

Oliver Rowland: Tageswertung: 0.0 Punkte | Gesamtwertung: 3.4 Punkte

"Wie, der ist auch mitgefahren?", schrieb einer unserer Redakteure über den Briten, der in Bern ganz sicher keine Glanzleistung zeigte. Dass Rowland weiß, wie man in der Formel E schnell ist, hat er in diesem Jahr oft genug bewiesen. Umso überraschender ist es, dass man von ihm während des Rennens so gut wie gar nichts mitbekam. Seine unspektakuläre Fahrt endete in Runde 21, nachdem er zuvor bei einem Fahrfehler die Wand berührt hatte. Er gab das Rennen auf und musste unfreiwillig einen vorzeitigen Haken an den Tag setzen.

Pascal Wehrlein: Tageswertung: 3.0 Punkte | Gesamtwertung: 2.9 Punkte

Wieder war Pascal Wehrlein enorm stark auf einer schnellen Runde in den Trainings und Qualifyings. Dann fehlte ihm jedoch im Rennen (zum wiederholte Male) die Pace. Nachdem er in den Startunfall verwickelt wurde und chancenlos die Strecke blockierte, kann er wohl von Glück reden, dass er noch einige Runden mit seinem beschädigten Mahindra absolvieren konnte.

Dann schaltete sich in Runde 14 sein Fahrzeug jedoch unerwartet aus. Den genauen Hintergrund des Ausfalls konnte er uns kurz nach dem Rennen noch nicht erklären. Wehrlein muss sich somit erneut mit einem "Nuller" abfinden. In New York hätte er zum Abschluss seiner herausragenden Rookie-Saison trotzdem noch einen Erfolgsmoment verdient.

Stoffel Vandoorne: Tageswertung: 1.0 Punkte | Gesamtwertung: 2.8 Punkte

Der HWA-Pilot durchlebt - anders ist es wohl nicht auszudrücken - ein klassisches "Lehrjahr" in der Formel E. Größtenteils läuft es durchwachsen, teilweise kann Vandoorne jedoch starke Individual-Leistungen zeigen. In Bern zeigte er eine passable Pace, die aber nur dem Anspruch eines Mittelklasse-Fahrers gerecht wird. Schlussendlich wurde er dank der Lotterer-Strafe als Zehnter gewertet, wodurch er immerhin HWAs anhaltende Europa-Punkteserie verlängern konnte. Mal sehen, was Vandoorne zum Abschluss seiner ersten Saison in New York im Köcher hat.

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