Formel E

Verständnis, Entsetzen & Solidarität: Reaktionen auf die Audi-Entlassung von Daniel Abt

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Selten wurde eine Entscheidung in der Formel E so kontrovers und emotional in den sozialen Medien diskutiert wie die Entlassung von Daniel Abt bei Audi. Das Team suspendierte den Deutschen am Dienstag, nachdem Abt im Rahmen der "Race at Home Challenge" einen Simracer sein virtuelles Fahrzeug steuern ließ. Die Reaktionen auf den Rauswurf des 27-Jährigen waren so zahlreich wie vielfältig.

Abt hatte sich für seinen Fehler bereits am Sonntag entschuldigt, nachdem Zweifel an seinem dritten Platz im virtuellen Berlin-Rennen aufgekommen waren. "Wir haben einen riesengroßen Fehler begangen. Zu diesem Fehler stehe ich. Ich trage alle Konsequenzen für das, was ich gemacht habe. Es ist meine Verantwortung", sagte er am Dienstagabend in einem Video-Statement. Audi setzte ihn nichtsdestotrotz vor die Tür und begründete die Entscheidung damit, dass Abt bewusst gegen die Regeln gehandelt habe. "Deshalb ist die Suspendierung für uns leider alternativlos", ergänzte das Team.

Die Folgen des Abt-Fauxpas wurden im Formel-E-Fahrerlager größtenteils mit Unverständnis aufgenommen. James Calado (Jaguar) kündigte beispielsweise an, dass er als Konsequenz keine Live-Streams der Race at Home Challenge mehr ausstrahlen werde. Auch DS-Techeetah-Pilot Antonio Felix da Costa twitterte: "Auf Wiedersehen Twitch, auf Wiedersehen Streams. Ich bin raus. See you never."

"Das widert mich an" - Formel-E-Piloten zeigen sich solidarisch

Wenig später legte der Portugiese in einer öffentlichen Unterhaltung mit einem Journalisten nach: "Diese Sache ist nur so groß geworden, weil die Medien nichts hatten, über das sie berichten und lästern können. Und vielleicht auch, weil es Audi gelegen kam… Das Resultat widert mich an. Ich bin der Erste, der sagt, dass man nicht betrügen sollte. Aber man muss die Dinge aus allen Perspektiven sehen. Mir reicht's!"

Auch Felix da Costas Teamkollege Jean-Eric Vergne kritisierte Audis Entscheidung. In einem inzwischen gelöschten Tweet schrieb er: "Natürlich ist es ein Spiel, das man ernst nehmen sollte. Aber es ist ein SPIEL. Was ist mit den Fahrern, die absichtlich Unfälle bauen und wahrscheinlich ihre Lizenz verlieren würden, wenn das in echt passieren würde? Ich bin bei fast allen Rennen ausgefallen, weil sich Fahrer unsportlich verhalten oder mich als Bremsklotz benutzt haben."

Nico Müller (Dragon), Robin Frijns (Virgin), Mitch Evans (Jaguar), Jerome d'Ambrosio (Mahindra) und weitere Formel-E-Stammpiloten richteten über Instagram ihre besten Wünsche an Abt aus. "Für sechs Jahre warst du der beste Teamkollege ever", kommentierte auch Lucas di Grassi. "Das ist länger als meine Ehe. Bleib stark!"

Rennfahrer üben Medienkritik

Andere (ehemalige) Piloten aus dem Audi-Kader stellten sich ebenfalls hinter den Deutschen. Ex-DTM-Champion Timo Scheider schrieb in einer kurzen Instagram-Story: "Ohne Worte, #staystrong. Ein weiterer Beweis dafür, was Fahrer wert sind. Ich weiß, wovon ich rede." Damit bezieht sich der ehemalige Audi-Fahrer auf die viel zitierte "Schieb ihn aus"-Affäre von 2015. Kelvin van der Linde, Audis Testpilot beim Rookie-Test in Marrakesch, äußerte sich auf Twitter: "Ich will niemanden in Schutz nehmen. Aber es ist traurig, dass Medien versuchen, einen anderen Fahrer zu zerstören, weil ihnen andere Inhalte fehlen." Inzwischen hat auch van der Linde seinen Post gelöscht.

Auch Nicky Catsburg (WEC, IMSA) ging mit den Medien hart ins Gericht: "Was in der letzten Zeit passiert ist, macht mir Angst", erklärte er kurz vor der Bekanntgabe der Abt-Suspendierung im 'VCO Esports Studio'. "Ich bin mir sicher, dass er keine bösen Absichten hatte, er wollte nur etwas Witziges für seinen YouTube-Kanal machen. Bei einigen Reaktionen, die er darauf bekommen hat, wurde mir schlecht. Ich habe Artikel gesehen, die quasi gefordert haben, dass er deshalb sein Cockpit verlieren soll. Das geht zu weit für mich, das ist wirklich das nächste Level."

Pressestimmen: "Eine völlig unnötige Aktion"

In der Tat waren die Reaktionen in den Motorsport-Medien etwas vielfältiger. "Es ist erstaunlich, dass sich Abt überhaupt auf so etwas eingelassen hat", schreibt beispielsweise der Formel-E-Korrespondent von 'The Race'. "Er weiß doch, wie wasserdicht die Compliance-Regeln von Audi sind. Audi konnte sich nicht erlauben, sich selbst oder seine multinationalen Partner von einem Fahrer so in Verruf bringen zu lassen. Sie hatten keine andere Wahl. Die Behauptung, dass die Maßnahme übertrieben sei, weil es nicht in einem konventionellen Setting stattfand, ist einfallslos und zeigt nur eine Respektlosigkeit gegenüber dem E-Sport."

"Ich bin schockiert über die Auswirkungen für Daniel Abt", kommentiert ein Journalist von 'Inside Electric' auf Twitter. Er widerspricht der Ansicht des 'The Race'-Korrespondenten: "Vielleicht ist es Zeit, damit aufzuhören, E-Sports-Events als ernsthafter darzustellen, als sie sind. Ihr wollt eine ernsthafte E-Sports-Meisterschaft? Dann benutzt dafür die Profi-Simracer. Die Karriere eines jungen Manns wurde unnötig beendet."

Auch die deutschsprachigen Medien fanden deutliche Worte. Der Chefredakteur von 'Motorsport-Total.com' schrieb am Donnerstag in einem Kommentar: "Es ist ziemlich offensichtlich, dass man aus dem Bubenstreich einen Vorwand konstruiert hat, um (Abt) vorzeitig abschießen zu können. In einem Statement heißt es, dass Werte wie 'Integrität, Transparenz und die konsequente Einhaltung geltender Regeln' für die Marke oberste Priorität haben. Die Herren Diess und Pötsch werden aufatmen, dass bei ihnen nicht der gleiche moralische Maßstab angelegt wird! Ich habe nach Argumenten gesucht, wie man Audi für die völlig überzogene Reaktion verteidigen könnte. Ich habe keine gefunden."

"Daniel Abt hatte niemals vor, böswillig zu betrügen. Wer das wirklich glaubt, kennt den Scherzkeks aus Kempten nicht", fügt auch 'Motorsport-Magazin.com' der Diskussion an. "Abt wurde von Audi geopfert, um bloß nicht schon wieder mit Betrug in Verbindung gebracht zu werden. Aus Konzernsicht blieb dank des Shitstorms, der Abt weltweit unberechtigt entgegenschlug, kaum eine andere Wahl. Wobei ein Rauswurf nach Saisonende für alle Seiten zumindest eleganter gewesen wäre. Ein Gesamtereignis, das in seiner Traurigkeit kaum zu überbieten ist."

In einem Kommentar bewertete unser Chefredakteur Timo Pape den Abt-Eklat am Mittwoch ähnlich. Den Beitrag "Das Spiel, bei dem alle verloren" findest du auf unserer Webseite.

Abt selbst bedankte sich inzwischen für den Zuspruch, den er in den vergangenen Tagen erfuhr: "Ich möchte mich von ganzem Herzen bei euch bedanken. Die letzten Tage waren die härtesten in meinem Leben (...), aber ihr habt nicht aufgehört, mich zu unterstützen. Ihr habt zu mir gestanden und euch öffentlich für mich eingesetzt. Ihr glaubt gar nicht, wie viel Kraft es mir gibt, eure Nachrichten und Kommentare zu lesen. Ich bin stolz auf meine Community, das werde ich euch nie vergessen. Danke!"

Nach Informationen des 'Motorsport-Total.com'-Kollegen hat sich übrigens Formel-E-Gründer Alejandro Agag als einer der Ersten per SMS bei Abt gemeldet und ihn aufgemuntert. Wenn er etwas braucht, solle er sich melden.

VIDEO: Daniel Abts Stellungnahme zur Formel-E-Entlassung

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