Extreme E

Gleichstellung offiziell: Extreme E verpflichtet Teams, Mann & Frau einzusetzen

Timo Pape

Timo Pape

Die neue elektrische Offroad-Rennserie Extreme führt eine Weltneuheit im Motorsport ein: Erstmals wird jedes Team verpflichtet, sowohl männliche als auch weibliche Fahrer bei den Rennen einzusetzen. Seriengründer Alejandro Agag glaubt, dass das Niveau dadurch sogar steigen wird.

Jedes der angepeilten acht Extreme-E-Teams wird sich in der Debütsaison 2021 aus einem Fahrer und einer Fahrerin zusammensetzen. Damit bestätigte die Serie am Donnerstagmorgen die Gerüchte der vergangenen Wochen. In jedem 2-Runden-Rennen sollen sie als Pilot und Co-Pilot gemeinsam antreten.

Somit gibt Extreme E bereits einen ersten Einblick in das kürzlich uns gegenüber angekündigte neue Rennformat. Jeder Fahrer soll für eine Runde ins Steuer des Elektro-SUVs "ODYSSEY 21" greifen, wodurch die Formatanpassung nötig wird. Es liegt dann bei den Teams strategisch zu entscheiden, wann welcher Fahrer zum Einsatz kommt.

Die einzigen Unterscheidungsmerkmale in Extreme E seien Talent und Können, behauptet die Serie. Doch stimmt das? Im sogenannten Drivers' Programme, einer Art Interessenten-Pool, aus dem sich die Teams bedienen können, befinden sich derzeit rund fünfmal so viele Männer wie Frauen. Viele davon sind verdiente Motorsport-Größen, die zu den besten Piloten der Welt zählen. Letztlich werden nur acht von ihnen in der Extreme E starten können.

Seriengründer Alejandro Agag fürchtet trotzdem nicht, dass das durchschnittliche Fahrerniveau dadurch sinken wird. Im Exklusiv-Interview mit 'e-Formel.de' erklärt er: "Ich bin davon überzeugt, dass das sogar noch mehr zum Wettbewerb beitragen wird, anstatt ihn zu schmälern." Der Spanier verweist auf das gemischte Doppel beim Tennis: "Der Mann kann genauso einen Fehler machen wie die Frau, aber beide sind gleich wichtig für das Endergebnis des Teams. Deshalb glaube ich, dass es sehr ausgeglichen sein wird."

"Der Motorsport sollte heutzutage die Gesellschaft widerspiegeln"

"Ich verspreche mir davon eine fantastische Show", sagt Agag und weist auf die Möglichkeit der Teams hin, ihre Strategie frei zu wählen - wen sie also in Runde 1 und Runde 2 einsetzen. "Außerdem gibt es sehr wettbewerbsfähige Frauen im Rallye-Sport", gibt der 49-Jährige zu bedenken und nimmt seine Branche in die Verantwortung: "Der Motorsport sollte heutzutage die Gesellschaft widerspiegeln, und hier sind Männer und Frauen mehr oder weniger 50:50 verteilt. Im Motorsport sind es derzeit 99 Prozent Männer. Das müssen wir jetzt korrigieren."

Dabei war der verpflichtende Einsatz von weiblichen Fahrern eigentlich gar kein Vorsatz der Extreme E, sondern "viel mehr das Ergebnis eines Brainstormings". Agag erinnert sich: "Wir hatten überlegt, wie wir das Renngeschehen noch spannender machen könnten. So kam die Entscheidung zustande, dass ein Rennen über zwei Runden gehen soll. Dann hatten wir die Idee: Warum nicht pro Runde einen Fahrer einsetzen? Und so fiel uns schließlich ein, dass dies das perfekte Format wäre, um einen Mann und eine Frau einzusetzen."

Die Vision, mehr Frauen auf der Rennstrecke zu sehen, hat Agag schon lange: "Ich habe seit vielen Jahren den Anspruch, mehr Frauen in den Motorsport zu bringen. Ich habe mal ein Team in der Formel 3 gegründet, wo ich eine ganze Saison nur mit Mädchen und Frauen bestritten habe. Leider hat das damals nicht so den Zeitgeist getroffen", gibt er zu.

Auch in der ersten Saison der Formel E (2014/15) kamen insgesamt drei Frauen zum Einsatz. "Wir haben versucht, die Teams zu überzeugen, Frauen an Bord zu holen", erklärt Agag. "Wir hatten am Anfang Katherine Legge, Michela Cerruti und Simona de Silvestro, aber sie sind nicht lang gefahren." Der Gründer beider Elektroserien räumt ein: "Ich glaube nicht, dass das Konzept in allen Motorsportkategorien funktioniert, aber für unser Format in der Extreme E passt es super. Ich bin sehr stolz auf diese Idee, weil wir damit einen Beitrag zur Gleichstellung von Mann und Frau leisten."

Frauen im Motorsport zeigen sich begeistert

Katherine Legge, die im Jahr 2014 zwei Formel-E-Rennen für Amlin Aguri bestritt und inzwischen Mitglied des "Drivers' Programme" der Extreme E ist, äußerst sich begeistert: "Von diesem Format zu hören war wie am Weihnachtsmorgen aufzuwachen. Für den Motorsport insgesamt ist dies ein großer Schritt in die richtige Richtung. Ich habe während meiner gesamten Rennkarriere auf so etwas gehofft!"

Auch in Deutschland stößt diese Nachricht auf Interesse. Jutta Kleinschmidt war die erste und einzige Frau, die die Rallye Paris-Dakar gewonnen hat, ist FIA-Präsidentin der Cross-Country-Rallye-Kommission und Mitglied der FIA-Kommission für Frauen im Motorsport. Sie meint: "Extreme E behandelt zwei sehr wichtige zukunftsweisende Themen: Umweltfreundliche Technologien im Motorsport und Unterstützung von Rennfahrerinnen. Beides ist sehr wichtig, um in Zukunft weitere Unterstützung für den Motorsport zu erhalten. Darüber hinaus haben Frauen die Möglichkeit, unter gleichen Bedingungen gegen Männer anzutreten und ihr Potenzial zu zeigen. Ich liebe es einfach!"

Carrie Schreiner, die ihrerseits schon im Formel-E-Testfahrzeug von HWA saß und aktuell in der ADAC GT Masters startet, sagt: "Seitdem ich Motorsport mache sind Frauen deutlich in der Unterzahl, und oft haben wir es nicht leicht. Deswegen finde ich Extreme E eine mega Sache, die ich sehr gerne unterstützen würde und ein Teil davon wäre. Zudem noch etwas Wichtiges für unsere Umwelt beitragen zu können, finde ich super."

Zu guter Letzt äußert sich auch F1-Stardesigner Adrian Newey, der inzwischen als "Lead Visionary" für das Extreme-E-Team Veloce Racing arbeitet: "Einer der Gründe, warum ich mich für Veloce Racing engagiert habe, war die Einführung neuer Technologien und Initiativen in dieser sich sehr schnell entwickelnden Welt. Die vergangenen Wochen haben mir klargemacht, dass wir uns mehr denn je auf Veränderung und Vielfalt einstellen und immer einen Schritt voraus sein müssen. Ich hoffe, wir können mit dieser aufregenden jungen Serie weitere tolle Chancen schaffen und eine starke Plattform für weibliche Wettbewerber bieten, um zu glänzen."

Das vollständige Renn- und Meisterschaftsformat der Extreme E steht kurz vor dem Abschluss und soll nach unseren Informationen in der übernächsten Woche bekannt gegeben werden. Zuvor will die Serie Anfang Mai das siebte Team für die Debütsaison vorstellen. Das erste Rennen ist weiterhin für Januar 2021 angesetzt.

Foto: Extreme E

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