Fahrer-Cockpits, Quarantäne & Seoul: Die Konsequenzen des Berliner Formel-E-Sixpacks
Timo Pape
Seit Mittwoch wissen wir: Die Formel E wird ihre Saison Anfang August mit insgesamt sechs Rennen in Berlin-Tempelhof beenden. Dadurch ergeben sich einige Konsequenzen, die eine Erwähnung wert sind und denen wir uns in einem Mix aus Faktencheck und Kommentar widmen. So wird die Terminierung des Berliner Sixpacks mit den "Double-Headern" am 5./6., 8./9. und 12./13. August nicht zuletzt Auswirkungen auf das Fahrerfeld haben…
Doch erst mal zum Allerwichtigsten: Die Formel E darf in ihrer sechsten Saison einen Meister küren. Klingt selbstverständlich, war es bislang jedoch nicht. Denn laut International Sporting Code der FIA müssen zur Krönung eines Champions mindestens sechs Events absolviert werden. Ein "Double-Header" wie zum Saisonstart in Saudi-Arabien zählt trotz zweier Rennen allerdings nur als ein Event. Somit steht die Formel E bislang bei vier Events in Saison 6. Durch die drei Doppelpacks in Tempelhof werden es sieben sein. Am 13. August wird demnach der sechste Formel-E-Titel vergeben.
Auswirkungen hat die Terminierung der drei "Double-Header" auch auf das Fahrerfeld. Glücklicherweise wird es nicht zum befürchteten Terminkonflikt mit der DTM kommen. Gute Nachrichten also für Nico Müller und Robin Frijns, die sich somit nicht für eine Serie entscheiden müssen (beziehungsweise je nach Vertrag zu einer gezwungen werden). Einen Tag nach dem Formel-E-Finale geht es für beide am 14. August zwar schon am Lausitzring in der DTM weiter, aber der ist ja nur anderthalb Auto-Stunden von Tempelhof entfernt…
Rene Rasts Chancen auf Audi-Cockpit steigen weiter
Noch besser ist die Nachricht für Rene Rast. Der zweimalige DTM-Champion dürfte für die sechs Berlin-Rennen mit hoher Wahrscheinlichkeit das ehemalige Audi-Cockpit von Daniel Abt übernehmen. Bei einem Test Anfang Juli darf er sich bereits auf den e-tron FE06 einschießen. Damit würde auch seine Chance auf ein Stammcockpit in Saison 7 erheblich steigen, schließlich hätte Rast dann schon mehr als eine halbe Saison Erfahrung im Audi gesammelt. Die Kehrseite der Medaille für Nico Müller…
Das zweite derzeit vakante Cockpit muss Mahindra besetzen. Der indische Rennstall trennte sich vor Kurzem mit sofortiger Wirkung von Pascal Wehrlein, der laut verschiedenen Berichten bei Porsche unterschrieben haben soll. Sollte dem so sein, ist es sehr unwahrscheinlich, dass Wehrlein schon in Berlin ans Steuer darf. Porsche ist bekannt dafür, stets sehr fair mit seinen Fahrern umzugehen. Wir gehen davon aus, dass Neel Jani, der womöglich für Wehrlein wird Platz machen müssen, die Saison zu Ende bestreiten wird.
Das Mahindra-Rätsel: Comeback für Nick Heidfeld?
Bleibt jedoch die Frage: Wer fährt neben Jerome d'Ambrosio für Mahindra? In unserem ePod haben wir das Thema bereits ausführlich diskutiert: Ersatzfahrer des Teams ist eigentlich Nick Heidfeld. Eigentlich ist der mittlerweile 43-Jährige nicht mehr aktiv. Dennoch möglich, dass das Formel-E-Urgestein noch einmal für die Inder in die Bresche springt. Ein ebenfalls enges - fast vatersgleiches - Verhältnis hat Teamchef Dilbagh Gill nach wie vor zu Felix Rosenqvist. Der ehemalige Mahindra-Stammfahrer sprang bereits beim Saisonauftakt 2018/19 noch einmal ein - kurioserweise für Wehrlein, der seinerzeit aufgrund einer nicht ganz reibungslosen Vertragsangelegenheit mit seinem Ex-Arbeitgeber HWA nicht in Diriyya starten durfte.
Rosenqvist, der gerade in seine zweite IndyCar-Saison gestartet ist, hat allerdings andere Verpflichtungen: Am 9. August steht in der US-amerikanischen Rennserie ein Rennen in Mid-Ohio für sein Team Chip Ganassi Racing auf dem Programm. Der talentierte Schwede ist damit höchstwahrscheinlich raus. Möglicherweise gibt Mahindra seinem Simulatorfahrer Sam Dejonghe oder Rookie-Tester Pipo Derani eine Chance. Oder das Team sieht sich bereits nach einem erfahreneren Piloten mit Blick auf Saison 7 um. Nichts Genaues weiß man nicht.
Zu erwähnen bliebe noch, dass die WEC-Fahrer aus der Formel E ebenfalls keinen Terminkonflikt hinnehmen müssen: Die Langstreckenmeisterschaft fährt erst am 15. August wieder. Für Sebastien Buemi und Co. steht somit unmittelbar nach dem letzten Berlin-Rennen eine Reise ins belgische Spa-Franchorchamps bevor.
Streckenlayouts werden Meisterschaft beeinflussen
Auf welchen Streckenlayouts die Formel E in Berlin fahren wird, ist noch nicht bekannt. Höchstwahrscheinlich wird eine der angekündigten drei Varianten die bekannte Kursführung der vergangenen Saisons sein. Allzu große Änderungen dürfte es zwischen den Varianten aber eher nicht geben, denn nach den ersten beiden "Double-Headern" bleiben dem Veranstalter nur ein beziehungsweise zwei Tage Zeit für den Umbau. Grundsätzlich sollen die Streckenarbeiten am Montag, dem 20. Juli beginnen und spätestens am 20. August wieder abgeschlossen sein.
Voraussichtlich werden die Streckendesigner zwangsläufig Einfluss auf den Ausgang der Meisterschaft nehmen. Denn bekanntermaßen haben die Teams - oder besser gesagt: ihre Autos - Stärken und Schwächen. Mahindra kommt in Tempelhof beispielsweise nicht gut zurecht, wie uns Wehrlein vor Kurzem verriet. Anderen Autos liegen langgezogene Kurven hingegen besser.
Normalerweise gibt es einen "natürlichen" Mix unterschiedlicher Streckencharakteristika im Rennkalender, doch diesmal wird es wohl eher einseitig. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Formel E um möglichst unterschiedliche Layouts bemüht, damit nicht am Ende der neun Tage sechsmal dasselbe Team ganz oben auf dem Podium steht.
Teams werden beschränkt, mache Fahrer müssen ggf. in Quarantäne
Auch im operativen Geschäft müssen sich die Teams auf zahlreiche Herausforderungen einstellen. Jeder Rennstall soll lediglich 20 Zugangspässe für seine Mitarbeiter erhalten - inklusive Fahrer. Die Grundvoraussetzung für die Umsetzung des Berlin E-Prix 2020 ist, die magische Zahl von 1.000 Anwesenden auf dem Eventgelände nicht zu überschreiten. Zu den genauen Sicherheitsbedingungen bringen wir in den kommenden Tagen noch einen eigenen Artikel. Für die Medien bedeutet das übrigens: Nur ausgewählte TV-Sender dürfen das Gelände betreten - wir müssen dieses Jahr zu Hause bleiben und uns in digitale Pressekonferenzen einwählen.
Gemäß den aktuellen Vorgaben der Bundesregierung erwartet einige Fahrer, die außerhalb der EU weilen, womöglich noch ein Sonderprogramm: Sie müssten sich nach ihrer Ankunft in Deutschland zunächst in eine 14-tägige Quarantäne begeben, also entsprechend früher in Berlin anreisen oder ihre Heimatländer schon Mitte Juli verlassen. Aktuell beträfe dies unter anderem Lucas di Grassi (Brasilien), Ma Qing Hua (China) und Brendon Hartley (Neuseeland).
TV-Übertragung noch offen, Seoul verabschiedet sich endgültig für 2020
Die genauen Zeitpläne für die sechs Rennen von Berlin stehen bislang nicht fest. Vieles hängt davon ab, welche Fernsehsender wann live berichten könnten. Folgerichtig steht ebenfalls noch nicht fest, wer die Rennen im deutschen TV zeigen wird, und ob alle Läufe live zu sehen sein werden. Wir gehen aber einfach mal davon aus. Schließlich haben wir in Deutschland mit Eurosport, ZDF und ARD gleich drei potenzielle Sender für die Ausstrahlungen.
Noch ein letzter Aspekt: Bislang wurde kein Rennen der Formel-E-Saison 2019/20 offiziell abgesagt. Bei sämtlichen Meldungen zur Aussetzung von Rennen war nur von einer Verschiebung die Rede. Nach der Bekanntgabe des restlichen Rennkalenders ist nun jedoch klar: Die Formel E wird in ihrer sechsten Saison nicht in Sanya, Rom, Paris, Seoul, Jakarta, New York und London fahren. Gerade Seoul hatte lange Zeit noch auf ein Saisonfinale im September gehofft. Jetzt steht aber fest: Der Fokus der Formel E liegt fortan auf ihrer ersten echten WM-Saison 2020/21, und der Meister wird in Berlin gekrönt - auch formal.
Foto: Lou Johnson / Spacesuit Media
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