Formel E in Berlin: Die große Vorschau zum Hauptstadt-Rennen in Tempelhof
Tobias Bluhm
Die Formel E ist zurück in Berlin. Als einzige Metropole weltweit, die seit 2015 bislang in jedem Meisterschaftsjahr mindestens einen Saisonlauf ausgetragen hat, begrüßt die deutsche Bundeshauptstadt die vollelektrische FIA-Rennserie am kommenden Wochenende bereits zum fünften Mal. Erneut wird der E-Prix dabei auf dem stillgelegten Flughafengelände Tempelhof im Süden Berlins ausgetragen. Motorsportfans können sich auf einen Renntag auf internationalem Topniveau sowie auf ein Festival der Elektromobilität freuen.
Vier Rennen vor dem großen Saisonfinale in New York ist in der Meisterschaft noch alles offen. Gerade einmal einen Punkt trennen an der Spitze der Fahrerwertung die DS-Teamkollegen Jean-Eric Vergne und Andre Lotterer voneinander. Mathematisch betrachtet könnten neun verschiedene Piloten nach dem Berlin-Lauf die Meisterschaftsführung übernehmen. Und: Zum Saisonfinale in New York werden noch so viele Punkte vergeben, dass jeder einzelne Pilot der Formel E noch theoretische Chancen auf den Titel hat.
Auch in Berlin haben fast alle Teams wohl das Zeug zum Sieg. Kann Daniel Abt die Sensation aus dem Vorjahr wiederholen und seinen ersten E-Prix dieser Saison gewinnen? Was ist mit den beiden Deutschen Andre Lotterer und Pascal Wehrlein, die eigentlich längst überfällig für einen Rennsieg sind? Gewinnt ein ganz anderer Fahrer, der sich womöglich in der Meisterschaft absetzen kann? Was du vor dem Berlin E-Prix wissen musst, erfährst du wie immer in unserer großen Formel-E-Vorschau.
Stadt, Land, Fluss…
Der Tempelhofer Flughafen gehört zu den geschichtsträchtigsten Orten in der 3,5-Millionen-Metropole im Osten Deutschlands. Aus dem einstigen preußischen Paradeplatz entwickelte sich im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts ein wichtiger Verkehrsflughafen, der besonders in der Zeit der Berlin-Blockade und der sogenannten Luftbrücke vor 70 Jahren von Bedeutung für die größte Stadt Deutschlands war. Das Flughafengebäude stammt aus Zeiten des Nationalsozialismus und ist bis heute das größte architektonische Baudenkmal Europas.
Seit 2010 wird das Tempelhofer Feld, das sich direkt hinter dem Flughafenkomplex erstreckt und mit dem Formel-E-Rennen nichts zu tun hat, von den Berlinern als Freizeit- und Erholungspark genutzt. Inline-Skates, Windboards oder Grillwiesen - die größte innerstädtische Freifläche der Welt bietet auf stolzen 350 Hektar Platz für abertausende Besucher, die hier in den Sommermonaten ihre Abende verbringen.
Was seit dem letzten Saisonlauf passierte
Zwischen den E-Prix von Monaco und Berlin drehte das "Fahrerkarussell" der Formel E in langsamer Fahrt seine erste Runde. Medienberichten zufolge sollen sowohl Venturi als auch zum Teil Jaguar die Verträge mit ihren Fahrern verlängert haben. Während Venturi demnach im nächsten Jahr weiterhin auf Felipe Massa und Edoardo Mortara setzen will, scheint sich Jaguar bereits mit Mitch Evans für eine weitere Saison einig zu sein. Die Zukunft von Alex Lynn, der erst vor eineinhalb Monaten als Ersatzmann für den ausgebooteten Nelson Piquet jr. ins Team einstieg, bleibt vorerst noch ungewiss.
In Bern legte Nissan-Pilot Sebastien Buemi zudem die ersten Kilometer in einem Formel-E-Auto zurück. Im Rahmen eines Demolaufs durch die Innenstadt der Schweizer Bundesstadt ließ er sich mit seinem Fahrzeug ablichten, stand für einige Interviews bereit und startete den Countdown zum E-Prix in Bern, der am 22. Juni stattfindet.
Zeitplan des Berlin E-Prix 2019
15:30 - 16:15 Uhr (Freitag) - 1. Freies Training
18:00 - 18:30 Uhr (Freitag) - 2. Freies Training
08:45 - 09:30 Uhr (Samstag) - Qualifikation
13:03 - 14:00 Uhr (Samstag) - Rennen (45 min + 1 Runde)
Bitte beachte, dass der Berlin E-Prix ausnahmsweise an zwei Tagen stattfindet und der Zeitplan somit nicht dem Standard entspricht. Die Trainings wurden für den Freitag angesetzt, während Qualifikation und Rennen am Samstag veranstaltet werden. In Berlin fährt im Rahmenprogramm der Formel E zudem die Jaguar I-Pace eTrophy. Das Qualifying (Freitag, 16:45 - 17:05 Uhr) und das Rennen des Markenpokals (Samstag, 15:15 - 15:50 Uhr) sind kostenlos über ran.de oder die offiziellen YouTube- und Facebook-Kanäle von Jaguar Racing zu verfolgen.
Strecke
Der "Tempelhof-Ring" wird jährlich auf dem Rollfeld des ehemaligen Flughafens errichtet, wo keine Straßenverläufe die Richtung des Layouts vorgeben können. Die Formel E fährt dadurch auf einem eher "klassischen" Rundkurs, der mit einem komplexen technischen Teil im ersten Sektor und mehreren längeren Highspeed-Abschnitten auf insgesamt 2,375 Kilometer kommt.
Besonders der Reifenverschleiß wird in Berlin-Tempelhof eine große Rolle spielen. Hauptgrund ist der Bodenbelag: Anders als üblich fahren die Piloten über alte, poröse Betonplatten und nicht über vergleichsweise glatten Asphalt. Die Profilreifen, die bei allen Wetterbedingungen gefahren werden, reiben sich in Berlin dadurch stärker ab als auf jeder anderen Strecke der Saison. Abseits der Ideallinie wird es durch den sich während des Rennens ansammelnden Gummiabrieb immer rutschiger. Da den Teams pro Rennwochenende nur zwei Reifensätze zur Verfügung stehen, könnte auch ein gutes Reifenmanagement ausschlaggebend für den Erfolg werden.
Gute Überholmöglichkeiten bieten sich unter anderem in den langsamen Kurven 6 und 9, die sich jeweils am Ende einer längeren Vollgaspassage befinden. Hier sahen Fans bereits in den vergangenen Jahren viele Manöver. Noch dazu wurde die Attack-Zone, in der die Fahrer ihren Attack-Mode (Erhöhung der Maximalleistung von 220 auf 225 kW) freischalten können, in Kurve 6 platziert. Auch in Kurve 1 erwarten wir einige Angriffe, da die Fahrer hier mehrere Linien wählen können. Es dürfte im Rennen also durchaus zu etlichen Überholmanövern kommen.
ARD & Eurosport: Der Berlin E-Prix im TV & Stream
Wie bereits im Vorjahr teilen sich die ARD und Eurosport die Übertragung des Formel-E-Laufs von Berlin. Das Erste startet um 12:50 Uhr mit einer rund zehnminütigen Vorberichterstattung in seine Live-Sendung aus der Hauptstadt. Durch die Übertragung führt Sportschau-Moderator Claus Lufen, das Rennen wird von Philipp Sohmer kommentiert. Im Anschluss zeigt die ARD eine Live-Konferenz der DFB-Landespokal-Endspiele, wodurch im TV-Programm derzeit ein Sendeschluss von 13:55 Uhr angegeben wird.
Eurosport startet seine Übertragung bereits um 12:15 Uhr mit einer Zusammenfassung des Qualifyings, das vom Sportsender bereits am Morgen ab 8:30 Uhr live ausgestrahlt wird. Hinter dem Mikrofon sitzen Oliver Sittler und Patrick Simon. Ab 12:45 Uhr ist das Duo dann ebenfalls für das Rennen live auf Sendung.
Die beiden Trainingssessions sind in Deutschland wie üblich über die englischsprachigen Angebote der offiziellen YouTube-, Twitter- und Facebook-Kanäle der Formel E zu empfangen. Die Live-Streams stellen wir dir wie gewohnt auf unserer Webseite bereit. Zudem bietet e-Formel.de einen Live-Ticker zu allen Sessions an, der sich ideal als "Second-Screen" oder als Lösung für unterwegs anbietet.
In der Schweiz ist die Formel E wie immer über das Pay-TV-Angebot von MySports sowie Eurosport 2 zu verfolgen. In Österreich zeigt ORFeins den E-Prix.
Übersicht: Die Qualifying-Gruppen für Berlin
Wie üblich werden die Fahrer auch in Berlin in vier verschiedene Qualifying-Gruppen aufgeteilt, um zu gewährleisten, dass jeder der 22 Fahrer (zumindest in der Theorie) eine "freie Runde" auf dem Kurs drehen kann. Dazu werden die Piloten anhand ihrer aktuellen Meisterschaftsposition aufgeteilt, um dann nacheinander in zwei Fünfer- und zwei Sechsergruppen auf die Strecke gehen. Für den Berlin E-Prix ergeben sich folgende Gruppen.
Das Wetter: frischer Frühling in Berlin
Aktuellen Prognosen zufolge könnte sich das Wetter in Berlin durchaus wechselhaft gestalten. Im Verlauf des Freitags zieht sich der Himmel voraussichtlich immer weiter zu. Zwar werden am Nachmittag mitunter Höchsttemperaturen von 24 Grad Celsius erwartet. Pünktlich zum Start des 2. Freien Trainings steigt die Regenwahrscheinlichkeit jedoch auf bis zu 90 Prozent.
Auch am Samstag bleibt der Himmel voraussichtlich wolkig oder bedeckt. Während das Thermometer bis zum Rennstart auf rund 16 Grad klettern soll, erwarten Meteorologen zeitgleich Böen von bis zu 48 km/h, die auf der Tribüne womöglich unangenehm werden könnten.
In Bildern: Der Berlin E-Prix 2018
Berlin: Fast Facts
- Daniel Abt feierte seinen Berlin-Sieg im vergangenen Jahr nach einer wilden Nacht mit einem krönenden Döner. Dabei war er ganz sicher nicht der einzige Kunde in der Dönerbude: Rund 27 Tonnen Döner gehen täglich über die Tresen der mehr als 1.300 Kebab-Imbisse Berlins.
- Allein im ersten Quartal dieses Jahres bediente der Flughafen Tegel - nach der Schließung Tempelhofs der einzig verbliebene Airport im Stadtgebiet Berlins - 3,3 Millionen Fluggäste. Das sind fast so viele Menschen, wie Berlin Einwohner hat.
- Ein nur allzu häufig zitierter Fakt, der in unserer Liste auf keinen Fall fehlen darf: Berlin hat mit 1.700 Brücken mehr als Venedig. Ein Geheimtipp für alle, die noch nach einem passenden Instagram-Fotomotiv für ihre Berlin-Reise suchen: Die Oberbaumbrücke (inklusive dem "Molecule Man") ist die wohl fotogenste aller Berliner Brücken. Sie verbindet die Ortsteile Friedrichshain und Kreuzberg.
- Die im Rest von Deutschland als "Berliner" bekannte Backware heißt in der Hauptstadt "Pfannkuchen". Zum "Pfannkuchen" sagen die Berliner stattdessen "Eierkuchen". Und falls du vor dem Rennen noch Frühstück beim Bäcker holen willst: Wer ein Brötchen möchte, bestellt sich in der Hauptstadt eine "Schrippe".
- Apropos Berliner/Pfannkuchen: Würde nur jeder vierte Besucher des E-Prix am Samstag (maximal 25.000) eines der süßen Rundgebäcke (gut 5 cm hoch) mit an die Strecke bringen, könnte man damit einen Turm bauen, der deutlich höher wäre als der berühmte Berliner Fernsehturm.
Prognose: Detailarbeit als Schlüssel zum Erfolg
Die Formel E biegt beim Berlin E-Prix nach einigen spannenden Rennen endgültig auf die Zielgerade der Saison 2018/19 ein. In vielerlei Hinsicht könnte der Lauf in der Bundeshauptstadt dabei zu einem entscheidenden Wendepunkt des Jahres werden. Jean-Eric Vergne (DS) kürte sich zuletzt in Monaco zum ersten "Doppel-Sieger" dieser Saison. Damit ist nach dem "Gewinner-Ping-Pong" der ersten acht Rennen die Jagd auf den Titel endgültig eröffnet.
Gleichzeitig warten noch immer alle deutschen Fahrer auf ihren ersten Sieg des Jahres. Dabei standen gerade Andre Lotterer (DS) und Pascal Wehrlein (Mahindra) bereits mehrmals nur kurz vor dem Gewinn des größten Pokals, der ihnen jedoch allzu häufig erst kurz vor Rennende aus den Händen glitt. Könnte es mit der zusätzlichen Motivation vor heimischem Publikum klappen?
Im Fahrerlager der Formel E gilt der Berlin-Kurs aus zwei Aspekten jedoch als besonders tückisch. Einerseits kommt es auf der 2,375 Kilometer langen Piste enorm auf das Energiemanagement an. Eine effiziente Fahrweise sowie ein sparsamer Elektromotor sind hier klar von Vorteil. Andererseits spielt auch der schonende Umgang mit den Reifen eine zentrale Rolle. Nur wer seine Pneus bis zum Zieleinlauf in einem guten Zustand behält, hat auf den Betonplatten von Tempelhof Chancen auf Überholmanöver und Positionsgewinne.
Auf der Rechnung muss man abermals so gut wie jeden Rennstall haben: DS und Virgin, die in diesem Jahr jeweils zwei Rennen gewonnen haben. Das Audi-Werksteam, für das Berlin stets ein gutes Pflaster war. BMW und Nissan, denen das Streckenlayout gut liegen könnte. Die Inder von Mahindra, die sich nach enttäuschenden Resultaten in Asien zurückkämpfen wollen. Die Liste der Siegkandidaten ist lang. Aus der zweiten Reihe sind zudem Jaguar, Venturi und womöglich auch HWA brandgefährlich…
Kurzum: Die Ausgangslage vor dem Berlin E-Prix ist wieder sehr spannend. Erneut wird es auf kleinste Details ankommen, beispielsweise auf die Genauigkeit der Datenanalysen in der Nacht zwischen dem 2. Training am Freitag und der Qualifikation am Samstagmorgen. Kein Team steckt vor Berlin in der klaren Favoritenrolle. Aber gerade das ist es doch, was die Formel E in diesem Jahr so reizvoll macht. Allen Formel-E-Fans, die zum Rennen nach Berlin reisen oder den E-Prix vor dem heimischen Fernsehschirm verfolgen, wünscht e-Formel.de ein spannendes Heimrennen!
Reminder: Wer bei unserer kostenlosen Community-Tippspiel-Runde mitmacht, hat noch bis zum Wochenende Zeit, seine Tipps abzugeben oder sich vielleicht sogar neu anzumelden!
0 Kommentare
Einen Kommentar schreiben