Extreme E

Agag über Extreme-E-Kritik: "Man kann nicht im Bett bleiben, nur um Emissionen zu vermeiden"

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Die neue SUV-Rennserie Extreme E soll zum nächsten großen Streich von Formel-E-Gründer Alejandro Agag werden. Der Spanier, der sich in den kommenden Wochen von seiner Position als Geschäftsführer der Formel E zurückziehen wird, um sich auf sein neues Projekt zu konzentrieren, zeigt sich knapp anderthalb Jahre vor dem Start der Meisterschaft optimistisch. Der aufkeimenden Kritik an Extreme E begegnet er gelassen: Im Kern der Serie werde auch die Minimierung von Eingriffen in die Natur stehen.

"Ich habe gesehen, dass es noch eine Nische für Rennen mit elektrischen SUVs gab. So wie es damals bei der Formel E war", sagt der Spanier im Lifestyle-Magazin 'GQ' und erläutert seine Vision: "Wir werden im Himalaya-Gebirge fahren, um Aufmerksamkeit für die abschmelzenden Gletscher zu erregen. Wir wollen Rennen im Amazonas-Regenwald austragen, um die gerodeten Teile des Dschungels zu zeigen. Wir wollen auf einer Insel im Indischen Ozean und in der Wüste fahren, um über die Probleme des Plastikmülls und der Wüstenbildung zu reden."

Der Ansatz des 48-Jährigen könnte kaum unterschiedlicher sein als seinerzeit in der Formel E. Während die Einsitzer-Kategorie, die 2014 in ihr erstes Rennen startete, zumeist in dicht besiedelten Innenstädten fährt, zielt die Extreme E auf weit abgelegene Gegenden ab, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. "Ich wollte etwas anderes machen", so Agag, "man will doch nicht immer das Gleiche tun."

Aktuell kundschaften die Verantwortlichen von Extreme E die potenziellen Austragungsorte aus. Erst Anfang der vergangenen Woche twitterte die Serie ein Foto aus dem Himalaya. An diesem Wochenende teilte Agag seinerseits ein Bild aus dem Amazonas in Brasilien - es geht offenbar voran.

Mit dem Start in die erste Extreme-E-Saison, die im Februar 2021 beginnen soll, wird die Formel E für Agag in Zukunft zu einem "Teilzeit-Job". Der ehemalige EU-Politiker will fortan seine volle Aufmerksamkeit auf Extreme E richten.

Minimierung der Eingriffe in Landschaft geplant

Der weitläufigen Kritik, dass Extreme E bedrohte Gebiete nur weiter zerstöre, begegnet Agag mit Gelassenheit. Während ein umfassendes Umwelt-Konzept der Serie derzeit noch nicht öffentlich bekannt ist, möchte die Serie einen positiven und nachhaltigen Effekt in den Renn-Regionen hinterlassen.

So werde sich die Extreme E um das Pflanzen von Bäumen, Aufräum-Aktionen an Stränden und den Einsatz von Solarenergie bemühen. Bei den Rennen werden keine Fans auf Tribünen Platz nehmen. Agags Fokus liegt stattdessen auf der TV- und Online-Übertragung der Events. Statt auf Helikopter will der Spanier für Fernsehbilder auf Dronen setzen und neben den Live-Übertragungen im Dokumentationsstil zeigen, welche Probleme die jeweiligen Regionen betreffen.

Erfahrungen mit Ex-Formel-E-Partnern als Grundlage für Erfolg

Bislang haben sich mit Venturi, HWA und ABT Sportsline drei Teams für Extreme E eingeschrieben. Alle Teams werden in der ersten Saison das einheitliche ODYSSEY-21-Fahrzeug nutzen, bei dem lediglich am Antriebsstrang und einigen Teilen der Verkleidung gearbeitet werden darf, um die Rallye-SUV-Buggys näher an die Serienfahrzeuge der Rennställe heranzuführen.

"Schon jetzt machen die Fahrzeughersteller die größten Absätze über ihre SUVs, da in so großen Autos mehr Platz für die Batterien ist. Vielleicht engagiert sich schon im ersten Jahr auch ein Hersteller bei uns, vielleicht erst im zweiten Jahr. Da haben wir es aber nicht so eilig. Auch bei der Formel E hat es ein bisschen gedauert, bis der Stein ins Rollen kam."

Der 1,6 Tonnen schwere ODYSSEY 21 ist mit einer Spitzenleistung von 400 kW und einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 4,5 Sekunden ein echtes Kraftpaket. Entwickelt wurde der Bolide von Spark Racing Technologies, die auch für das aktuelle Formel-E-Chassis verantwortlich zeichnen. "Der Prozess war deutlich einfacher als damals in der Formel E", sagt Agag. "Wir waren in Kontakt mit denselben Personen, die uns schon damals geholfen haben."

"Williams baut die Batterien, wie schon in der ersten Generation der Formel E. McLaren arbeitet am Standard-Antriebsstrang (ebenfalls wie in der ersten Saison der Formel E). Und Spark bringt schließlich alle Einzelteile im Chassis unter - das macht es für uns sehr einfach. Wir wussten, dass wir uns auf unsere Partner verlassen können und haben nun ein sehr robustes, leistungsstarkes, echtes Rennauto, mit dem wir unsere Läufe bestreiten."

Kein Omelett ohne zerbrochene Eier

Die Fahrzeuge sollen eines Tages mit dem ehemaligen britischen Postschiff St. Helena zu den Austragungsorten gelangen. "Das Schiff ist ein fantastischer Charakter für unser Storytelling", weiß Agag. Schon jetzt steht jedoch fest, dass Extreme E nicht gänzlich CO2-neutral sein wird. Denn selbst wenn das Schiff mit einem großen Segel und Bio-Diesel angetrieben wird, verschmutzen Boote weiterhin die Luft. Ganz zu schweigen von den Teams und Fahrern, die zu den Rennen fliegen werden.

"Man kann aber auch nicht nur im Bett bleiben, nur um Emissionen zu vermeiden", findet Agag. "Um gegen den Klimawandel zu kämpfen, müssen wir rausgehen und etwas dagegen unternehmen." Anders ausgedrückt: Es gibt auch kein Omelett, ohne einige Eier zu zerbrechen. Ob Extreme E eines Tages tatsächlich nachhaltige Lösungen und Technologien vorantreiben kann, während die Serie auf die globale Erwärmung aufmerksam macht, bleibt vorerst abzuwarten.

Fotos: Shivraj Gohil / Spacesuit Media

Die Highlights des 2. Testtages

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