Formel E

Der große e-Formel.de Saisonrückblick 2018/19 - Teil 1/3

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

Im Juli ging die fünfte Formel-E-Saison zu Ende. Eine Saison, die in vielen Bereichen Maßstäbe setzte. So haben wir nicht nur die Premiere vom Gen2-Fahrzeug, Brake-by-Wire und Attack-Mode gesehen. Es gab in 13 Rennen neun verschiedene Sieger von acht verschiedenen Teams. 16 Piloten von neun unterschiedlichen Rennställen standen mindestens einmal auf dem Siegerpodest. Jean-Eric Vergne krönte sich in New York City zum ersten zweifachen Champion der Elektrorennserie, während sein Team Techeetah nach dem Vizetitel im Vorjahr nun gemeinsam mit Antriebslieferant DS die Teammeisterschaft holte.

Die Saison 2018/19 versprach den bis dahin größten Umbruch in der Geschichte der Formel E: Das Design der Boliden wurden deutlich futuristischer, die Maximalleistung sowie die Kapazität der Batterie deutlich erhöht. Damit entfiel auch der bis dahin obligatorische Fahrzeugwechsel zur Rennmitte - Boxenstopps gab es nur noch, wenn Reparaturen notwendig waren. Als neue strategische Option führte die Formel E den Attack-Mode ein, der abseits der Ideallinie in einer speziell markierten Zone aktiviert werden konnte und dem Fahrer mehr Leistung zur Verfügung stellte.

Um keine Strategie-Optimierung im Vorfeld eines Rennens zuzulassen, wurde erst eine Stunde vor Rennstart bekanntgegeben, wie oft der Attack-Mode aktiviert werden musste, und wie lange der Leistungsschub anhalten sollte. Allerdings entschied sich die Formel E mit Ausnahmen des Sonntagsrennens in New York City jedes Mal für zwei Aktivierungen mit je vier Minuten. Die neuen Fahrzeuge leisteten im Qualifying nun regulär 250 kW, im Rennen 200 kW und bei aktiviertem Attack-Mode 225 kW. Außerdem stieg die maximale Rekuperation auf 250 kW an. Die Bremse an der Hinterachse durfte zudem durch ein Brake-by-Wire-System betrieben werden, was den Fahrern das Bremsen einfacher machen sollte.

Anstelle einer Auslosung wurden die Qualifying-Gruppen immer anhand der aktuellen Fahrerwertung bestimmt. Die fünf bestplatzierten Piloten mussten in Gruppe 1 antreten - eine Regeländerung, die womöglich den größten Einfluss von allen haben sollte, da die Topfahrer wegen schlechterer Gripverhältnisse zum Start der Qualifikation meist weit hinten starten mussten. Ein E-Prix ging außerdem nicht mehr über eine festgelegte Rundenanzahl, sondern über 45 Minuten plus eine Runde. Die Rennen in Punta del Este und Zürich entfielen, dafür neu im Rennkalender: Bern, Diriyya und Sanya. Monaco war gemäß seines 2-Jahres-Rhythmus nach einem Jahr ohne E-Prix auch wieder mit dabei - zum Unverständnis vieler allerdings nach wie vor auf der verkürzten Streckenvariante. Einen neuen Kurs gab es hingegen in Santiago.

Auch bei den Teams und Fahrern gab es Veränderungen: DS trennte sich von Virgin und belieferte nun Techeetah, während Virgin Kundenteam von Audi wurde und zudem Audi-Werksfahrer Robin Frijns anstelle von Alex Lynn verpflichtete. HWA stieg als Mercedes-Vorhut in die Serie ein und trat mit Stoffel Vandoorne, dem frisch gebackenen DTM-Meister Gary Paffett und Venturi-Kundenmotoren an. BMW übernahm die Herstellerlizenz von Andretti , trat fortan als Werksteam an und verpflichtete Alexander Sims.

Renault e.dams hieß nun Nissan e.dams, da sich die Franzosen auf ihr Engagement in der Formel 1 konzentrieren wollten. Auch weil Alain Prost seine Teamanteile veräußerte, setzte der Rennstall trotz gültigen Vertrages dessen Sohn Nicolas auf die Straße und verpflichtete Alex Albon, der jedoch noch vor Saisonstart zu Toro Rosso in die Formel 1 wechselte. Seinen Platz erbte Oliver Rowland. Venturi ersetzte Maro Engel durch Felipe Massa, und bei Dragon folgte Maximilian Günther auf Jerome d'Ambrosio. Der Belgier heuerte seinerseits gemeinsam mit Pascal Wehrlein bei Mahindra an, wo die beiden Nick Heidfeld und Felix Rosenqvist ersetzten. Tom Dillmann erhielt bei NIO seinen ersten festen Rennsitz in der Elektrorennserie, indem er das Cockpit von Luca Filippi übernahm.

Rennen 1: Diriyya E-Prix

Diriyya, ein Vorort der saudi-arabischen Hauptstadt Riad, stellte im Dezember 2018 den Saisonauftakt der "neuen" Formel E dar. Nicht ganz ohne Kritik, da in Saudi-Arabien Menschen- und speziell auch Frauenrechte nach wie vor ein heikles Thema sind. Kronprinz Mohammed bin Salman - wenige Wochen zuvor durch seine mutmaßliche Verstrickung in die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit geraten - hatte erst im Sommer das Frauenfahrverbot in Saudi-Arabien aufgehoben. Die Formel E veranstaltete nach dem Rennen einen offiziellen Testtag, bei dem alle Teams ein zweites Auto einsetzen durften, die eine Frau ans Steuer ließen.

Nachdem sich Pascal Wehrlein nicht mit HWA auf eine Auflösung seines bis zum Jahresende laufenden DTM-Vertrages einigen konnte, musste der Neuling in Diriyya noch zusehen. Ein ähnliches Schicksal erlitten aber auch die 22 gemeldeten Piloten beim 1. Freien Training - mitten in der Wüste "schüttete es wie aus Eimern". Wenig später herrschte jedoch endlich Fahrbetrieb.

Wie bei den Testfahrten vor der Saison hinterließ BMW einen sehr starken Eindruck, und Antonio Felix da Costa gewann von der Pole-Position aus sein erstes Rennen seit Buenos Aires 2015. Er profitierte jedoch von einer Durchfahrtsstrafe gegen beide DS-Piloten, die auf dem Weg zu einem Doppelsieg wegen einer fehlerhaften Batteriesoftware-Installation zuviel Energie rekuperiert hatten. Es sollte nicht die einzige Strafe wegen dieses Verstoßes in der Saison bleiben. Vergne wurde trotzdem noch Zweiter vor d'Ambrosio, Evans und Lotterer. Überraschung für viele Zuschauer bei der Siegerehrung: Für das siegreiche BMW-Team wurde weder die deutsche noch die US-amerikanische Hymne für Andretti gespielt, sondern "God Save the Queen", weil Andretti die Startlizenz in Großbritannien registriert hatte.

Rund um den Diriyya E-Prix Ende 2018 wurden bereits die ersten Personalien für Saison 6 verkündet: Jean-Eric Vergne sollte auch weiterhin bei DS Techeetah bleiben, und Neel Jani würde mit Porsche in die Rennserie zurückkehren. Daneben lieferten einige der Fahrerinnen beim Diriyya-Test teils gute Zeiten ab, und Jacques Villeneuve wetterte einmal mehr vor sich hin. Diesmal gegen die Formel E, in der er sich selbst nicht hatte durchsetzen können und die er nach nur drei erfolglosen Rennen wieder verließ. "Niemand will elektrische Autorennen sehen", so der Formel-1-Weltmeister von 1997.

Rennen 2: Marrakesch E-Prix

Eine der großen Geschichten rund um den zweiten Saisonlauf in Marrakesch: Formel-1-Star Max Verstappen musste den E-Prix bei den Rennkommissaren verfolgen - als Strafe für eine Rangelei mit Esteban Ocon beim Großen Preis von Brasilien. Für einen Aufreger sorgte im Qualifying auch Tom Dillmann. Der NIO-Pilot fuhr mit Bremsversagen in der Boxengasse auf beide Virgin auf und beschädigte die Fahrzeuge. Sam Bird sollte seinen Kunden-Audi wenig später dennoch auf die Pole-Position vor Vergne stellen. Doch in der ersten Kurve kamen sich die beiden näher als ihnen lieb war: Vergne verpasste den Bremspunkt, traf Bird und drehte sich (siehe Foto). Wie durch ein Wunder konnten alle Piloten ausweichen, jedoch fuhr Lucas di Grassi auf den Mahindra von Pascal Wehrlein auf – das frühe Aus für den jungen Deutschen bei seinem Formel-E-Debüt.

Auch beide HWA-Boliden kollidierten schon in der ersten Kurve und schieden demnach frühzeitig aus. Und das, obwohl die Neulinge aus Affalterbach jeden Kilometer Erfahrung auf der Strecke brauchten... Nach dem Chaos der ersten Kurve lagen die beiden BMW von Sims und Felix da Costa hinter Bird – jedoch nicht lange: Nach einem Fahrfehler von Bird in der Schikane ging das Duo an ihm vorbei und dominierte in der Folge das Rennen. Bird kämpfte derweil mit seinem Teamkollegen Frijns, di Grassi und Jerome d'Ambrosio um Platz 3, als zu einer der Szenen der Saison kam: Sims griff Felix da Costa an, und beide BMW-Fahrzeuge kollidierten. Für den Portugiesen war das Rennen beendet, Sims rettete immerhin den vierten Platz. Nach einer Safety-Car-Phase zur Bergung des BMW-Wracks blieb noch eine letzte Runde bei Vollstrom übrig, in der sich d'Ambrosio jedoch vor den beiden Virgin-Piloten behaupten konnte.

Bei den Rookie-Testfahrten am Tag nach dem Marrakesch E-Prix sammelten alle Teams fleißig Daten. Alle Teams? Nein, ein kleines US-amerikanisches Privatteam namens Dragon kam nicht zu einer Einigung mit dem bereits offiziell gemeldeten Piloten Felipe Nasr und setzte folglich nur ein Auto ein - der ersten von mehreren peinlichen Fauxpas, die in der Saison folgen sollten. Tatjana Calderon im DS zeigte bei ihrem zweiten Einsatz im Formel-E-Boliden eine sehr beeindruckende Pace – Gerüchten zufolge auch deshalb, weil das Team jedes überflüssige Kilogramm am Boliden abspeckte und so deutlich unter dem Gewichtslimit fuhr. Was bei Testfahrten wohl niemand kontrollierte...

Rennen 3: Santiago E-Prix

Im Vorfeld des Santiago E-Prix reagierte die FIA auf den Boxengassenunfall von Marrakesch und verbot den Fahrern, die Bremse nach der gezeiteten Runde im Qualifying "anders" zu belasten als während der Runde zuvor. Dillmann hatte durch gezieltes Dauerbremsen die Brems- und somit die Reifentemperatur erhöhen wollen, um bei der technischen Kontrolle keinen zu niedrigen Reifendruck zu haben. In Berlin startete derweil der Ticketverkauf. Die Tickets waren so schnell vergriffen, dass der Veranstalter später noch zwei Zusatztribünen zusätzlich anbieten sollte. Während Helmut Marko die Formel E nur für eine Ablenkung der Konzerne vom Dieselskandal hielt, begeisterte Daniel Abt mit dem Gen1-Audi die Fans beim GP Ice Race in Zell am See.

In Santiago sollte es schließlich buchstäblich heiß hergehen. Lucas di Grassi fuhr in der Super-Pole die Bestzeit, musste aber von ganz hinten starten. Der Grund: Er hatte gegen die neue FIA-Regel verstoßen und benutzte seine Bremse in der Auslaufrunde "anders" als in der gezeiteten Runde. Die Pole-Position erbte Sebastien Buemi im Nissan. Bei der Hitzeschlacht im Parque O'Higgins behielt er jedoch keinen kühlen Kopf und warf seinen Wagen bröckelndem Asphalt in die Mauer. Sam Bird übernahm die Spitze vor Pascal Wehrlein, der jedoch in den Schlussrunden Temperaturprobleme bekam und abreißen lassen musste - Bird gewann. Dritter wurde Daniel Abt, der von einer Strafe gegen Alexander Sims profitierte. Der Brite hatte Edoardo Mortara in der Schikane mutmaßlich gedreht - er selbst war jedoch der Meinung, keine Berührung gespürt zu haben. Nach drei packenden Rennen zum Saisonauftakt sollte es nun weiter nach Mexiko gehen...

Teil 2 unseres großen Saisonrückblicks liest du in Kürze auf e-Formel.de.

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