Formel E

Formel-E-Finale im Sixpack: Die große Vorschau auf den Berlin E-Prix 2020

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Fünf Monate nach der vorübergehenden Saison-Suspendierung der Formel E geht es endlich wieder los: Mit sechs Rennen binnen neun Tagen beschließt die Elektroserie zwischen dem 5. und 13. August ihre Meisterschaft 2019/20. Im Titelkampf ist weiterhin alles offen. Was du vor dem diesjährigen Berlin E-Prix wissen musst, erfährst du in unserer Rennvorschau.

Hinter den Verantwortlichen der Formel E liegen einige arbeitsreiche Monate. Nur zwei Wochen nach dem Marrakesch E-Prix am 29. Februar verkündete die Serie, dass die laufende Saison vorübergehend ausgesetzt würde. Zuvor mussten alle ursprünglich geplanten Renntermine verlegt werden. In den folgenden Wochen begann ein Ringen um den Rennkalender: Ersatz-Rennen in Sanya, Valencia, Portimao oder Brands Hatch standen zur Debatte.

Letztlich bekam jedoch Berlin den Zuschlag. Als einziger Ort, an dem in jeder Saison seit der Formel-E-Gründung ein E-Prix ausgetragen wurde, wird die Stadt an der Spree 2020 den Schauplatz für das große Saisonfinale stellen. Innerhalb von nur neun Tagen will die Formel E auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof neun Rennen austragen - und zwar auf drei verschiedenen Streckenführungen.

Stadt, Land, Fluss

Auch in diesem Jahr findet das Deutschland-Rennen der Formel E auf dem ehemaligen Flughafen Berlin-Tempelhof statt. Der Airport zählte zu den ersten Verkehrsflughäfen des Landes und spielte insbesondere in der Berliner Luftbrücke 1949 eine zentrale Rolle bei der Versorgung der Stadt durch die West-Alliierten. 2008 wurde der Flughafen geschlossen und der Öffentlichkeit kurz darauf als Naherholungsgebiet zur Verfügung gestellt.

In Berlin findet die Elektroserie nahezu ideale Bedingungen für die Austragung der Rennen vor. Einerseits bietet das flache Vorfeld des Flughafens für die Strecken-Designer ideale Bedingungen, um mit verschiedenen Layout-Konfigurationen zu experimentieren. Andererseits ist das Areal gut von der Außenwelt abgrenzbar, sodass die strengen Hygiene-Vorschriften eingehalten werden können. Ebenfalls positiv: Für die sechs Rennen in Deutschland müssen keine Straßen abgesperrt werden, was den öffentlichen Verkehr in manch anderer Stadt für mehrere Tage stark beeinträchtigt hätte.

Fotos: Shivraj Gohil, Lou Johnson / Spacesuit Media

Was in der "Corona-Zwangspause" passierte

Die Formel E organisierte in den vergangenen Monaten unter anderem eine eigene E-Sports-Meisterschaft. In der "Race at Home Challenge" traten wöchentlich alle 24 Formel-E-Fahrer gegeneinander an und kämpften um einen virtuellen Titel. Mercedes-Pilot Stoffel Vandoorne gewann die Online-Serie vor Pascal Wehrlein.

Für die größten Schlagzeilen in der Race at Home Challenge sorgte allerdings Daniel Abt. Im sechsten Rennen der Meisterschaft ließ der Deutsche einen professionellen E-Sportler sein Fahrzeug steuern, der im virtuellen Audi-Renner prompt das Podium erreichte. Noch am selben Abend flog der Schwindel jedoch auf. Die Aktion kam in Ingolstadt alles andere als gut an: Audi suspendierte Abt nach dem Vorfall und ersetzte ihn für den Berlin E-Prix mit dem amtierenden DTM-Champion Rene Rast.

Abt wird in der Hauptstadt stattdessen für das chinesische Team Nio 333 antreten. Dort übernimmt er das Cockpit von Ma Qing Hua. Anstelle von Pascal Wehrlein, der seinen sofortigen Abschied von Mahindra überraschend via Instagram vermeldete - voraussichtlich, um nächstes Jahr für Porsche zu starten, wird der Brite Alex Lynn für den indischen Rennstall fahren. Sergio Sette Camara übernimmt das Dragon-Lenkrad von Brendon Hartley, den sein Team ebenfalls völlig überraschend verließ.

Die Formel E gab zudem Details zum Rennkalender der nächsten Saison bekannt und verkündete, dass im nächsten Jahr erstmals der vollständige Grand-Prix-Kurs in Monaco genutzt werde.

Abend-Rennen in Berlin: Der Zeitplan

Da vier der sechs Berlin-Rennen unter der Woche stattfinden, weicht die Formel E in diesem Jahr von ihrem üblichen Zeitplan ab. Der Rennstart wird dabei jeweils um drei Stunden nach hinten verschoben, sodass jeder Lauf um 19 Uhr beginnt. Die Qualifyings starten jeweils um 14:15 Uhr.

Etwas unübersichtlicher wird es beim Beginn der Trainingssitzungen am Vormittag. Jeweils am ersten Tag eines neuen "Double-Headers" finden zwei Trainings statt, am zweiten Tag hingegen nur eines. Einen Überblick über die Session-Startzeiten findest du in der unten stehenden Übersicht.

Berlin E-Prix I

 
Mittwoch, 5. August

  • 09:00 - 09:45 Uhr - 1. Training
  • 11:30 - 12:00 Uhr - 2. Training
  • 14:15 - 15:20 Uhr - Qualifying
  • 19:04 - 19:50 Uhr - Rennen

Donnerstag, 6. August

  • 11:30 - 12:15 Uhr - 3. Training
  • 14:15 - 15:20 Uhr - Qualifying
  • 19:04 - 19:50 Uhr - Rennen

Berlin E-Prix II

 
Samstag, 8. August

  • 09:00 - 09:45 Uhr - 1. Training
  • 11:45 - 12:15 Uhr - 2. Training
  • 14:15 - 15:20 Uhr - Qualifying
  • 19:04 - 19:50 Uhr - Rennen

Sonntag, 9. August

  • 09:45 - 10:30 Uhr - 3. Training
  • 14:15 - 15:20 Uhr - Qualifying
  • 19:04 - 19:50 Uhr - Rennen

Berlin E-Prix I

 
Mittwoch, 12. August

  • 09:00 - 09:45 Uhr - 1. Training
  • 11:30 - 12:00 Uhr - 2. Training
  • 14:15 - 15:20 Uhr - Qualifying
  • 19:04 - 19:50 Uhr - Rennen

Donnerstag, 13. August

  • 11:30 - 12:15 Uhr - 3. Training
  • 14:15 - 15:20 Uhr - Qualifying
  • 19:04 - 19:50 Uhr - Rennen

6 Rennen, 3 Layouts: Die Strecken

Der erste "Double-Header" in Berlin findet auf dem umgekehrten Layout der Formel-E-Strecke aus dem Vorjahr statt. Anstelle der Schneckenkurve zum Start der Runde beginnt die Tour nun also mit zwei Kehren, bevor eine schnelle S-Kurve folgt. Die beste Überholmöglichkeit auf dem 2,375 Kilometer langen Kurs bietet sich womöglich am Ende der langen Gegengeraden.

Das dritte und vierte Berlin-Rennen am 8./9. August findet hingegen auf dem bekannten Kurs von 2019 statt. Einzig die Einfahrt in die Boxengasse ändert sich im Vergleich zum Vorjahr: Sie wurde wie schon vor zwei Jahren vor die letzte Kurve verlegt. Die Strecke umfasst insgesamt zehn Kurven und bietet einen Mix aus harten Bremszonen, zwei längeren Geraden und technisch anspruchsvollen Abschnitten.

Für die zwei letzten Berlin-Läufe wird der Kurs erneut angepasst. Am 12. und 13. August befahren die Piloten einen neuen Streckenabschnitt, in dem mehrere mittelschnelle Kurven aneinandergereiht werden. Eine Anpassung in Kurve 4 verändert zudem die "Ausfahrt" auf die Gegengerade. Die Distanz einer Runde verlängert sich durch die neuen Abschnitte auf 2,505 Kilometer.

Formel E im TV: Eurosport überträgt nur die Rennen, ARD & ZDF passen komplett

Weil aufgrund der strengen Hygiene-Vorgaben für das Event keine Zuschauer an der Rennstrecke erlaubt sind, müssen Formel-E-Fans in diesem Jahr komplett auf die TV-Übertragungen vertrauen. Aus Berlin überträgt Eurosport 1 jedes Rennen live, verzichtet allerdings gänzlich auf die Übertragung der Qualifyings - nicht mal bei Eurosport 2. Die Qualifikation ist in diesem Jahr ausschließlich im englischsprachigen Online-Stream auf den offiziellen YouTube-, Facebook- und Twitter-Kanälen der Formel E zu verfolgen.

Alternativ bietet e-Formel.de dir daher auch in Berlin unseren beliebten Live-Ticker an. Dort begleiten wir jede einzelne Session des Formel-E-Finales. Die Trainingssitzungen, die analog zum Qualifying ebenfalls im Live-Stream gezeigt werden, betten wir dir selbstverständlich ebenfalls wie immer auf unserer Webseite ein. Anders als in den vergangenen Jahren werden die ARD und das ZDF den Berlin E-Prix 2020 nicht übertragen - weder im TV noch online.

>>> zur ausführlichen TV- und Live-Stream-Übersicht für das Formel-E-Rennen in Berlin

Auch in der Schweiz wird das Rennen von Eurosport 1 ausgestrahlt. Fans in Österreich können die Formel-E-Läufe bei ORF Sport+ verfolgen. ORF 1 zeigt an den nächsten zwei Sonntagen zudem Highlight-Zusammenschnitte aus Berlin.

Übersicht: Die Qualifying-Gruppen für Berlin

Zwar galt Berlin-Tempelhof in den vergangenen Jahren als vergleichsweise gute Strecke für Überholmanöver. Trotzdem ist ein Start aus den vorderen Reihen auch in der Hauptstadt ein Schlüssel zum Erfolg. Um zu gewährleisten, dass auf der Strecke jeder Fahrer (zumindest in der Theorie) eine "freie Runde" fahren kann, teilt die Formel E die 24 Piloten vor dem Rennen in insgesamt vier Gruppen ein. Die Gruppen werden anhand der aktuellen Meisterschaftsposition der Fahrer gebildet.

Da sich die Streckenbedingungen erfahrungsgemäß im Verlauf eines Qualifyings verbessern, starten die sechs letztplatzierten Piloten der Fahrerwertung ebenso wie Neulinge in der letzten Gruppe. Sie haben somit die potenziell besten Bedingungen, um sich einen guten Startplatz zu sichern. Während die Plätze 7 bis 24 nach dem Gruppen-Qualifying "eingefroren" werden, kämpfen die Top 6 in einem anschließenden Shoot-out um die Super-Pole und die ersten drei Startreihen. Für das erste Berlin-Rennen ergeben sich folgende Gruppen.

Da die Gruppen anhand des Zwischenstandes in der Fahrerwertung gebildet werden, wird über die Qualifying-Reihenfolge für die weiteren Berlin-Rennen erst in den kommenden Tagen entschieden. In unseren Kurzmeldungen findest du an den Renntagen jedoch stets eine Übersicht über die aktuellen Qualifying-Einteilungen.

Wettervorhersage: 2 Wochen Summer in the City

Während der Südwesten Deutschlands bei tropischen Temperaturen weiterhin schwitzt, erwarten die Formel-E-Teams in Berlin einige angenehme Sommertage. Die Temperaturen dürften sich bei allen Rennen im Bereich zwischen 20 und 32 Grad Celsius bewegen. Einzig für das finale Rennen am 13. August besteht derzeit eine rund 15-prozentige Regenwahrscheinlichkeit.

Allerdings sind zuverlässige Wettervorhersagen mehrere Tage vor dem Event ohnehin nur schwer möglich. Doch seien wir ehrlich: Gegen etwas Regen beim "Showdown" hätte wohl niemand etwas auszurichten.

Berlin: Fast Facts

  • Sechs Rennen an einem Standort in nur zwei Wochen: Das gab es in einer internationalen Motorsport-Serie noch nie. In dieser Saison finden genauso viele Berlin-Rennen statt wie in allen vorausgegangenen Saisons zusammen.
  • Der "König von Berlin" ist in der Formel E ohne Frage Lucas di Grassi. In den letzten Jahren stand der Brasilianer bei jeder Ausgabe des E-Prix auf dem Podium. In der ersten Saison wurde ihm sein Sieg aufgrund eines modifizierten Frontflügels allerdings nachträglich aberkannt. Mal sehen, ob er seine Erfolgsserie auch 2020 fortsetzen kann.
  • Im gesamten deutschsprachigen Raum gibt es kein längeres U-Bahn-Netz als das der Berliner U-Bahn. Auf einer Länge von 146,6 Kilometern werden hier 173 Bahnhöfe miteinander verbunden. Würde man diese Distanz auf der Formel-E-Strecke in Tempelhof zurücklegen wollen ("altes" Layout aus 2019), müsste die U-Bahn rund 62 Runden absolvieren.
  • Apropos ÖPNV: Der Berliner S-Bahn-Ring, der auch am Tempelhofer Feld Station macht, hat die Form des Kopfes von einem "Basset Hound". Aufgrund seiner kurzen Beine erreicht die Rasse geschätzte Geschwindigkeiten von nur acht bis 16 km/h. Bei diesem Tempo bräuchten die Vierbeiner rund fünfeinhalb Stunden, um die Renndistanz des Berlin E-Prix 2019 ohne Unterbrechungen zu laufen.
  • Das "dritte Layout" in Berlin ist 2,505 Kilometer lang und bietet somit genügend Platz, um rund 16.700 Berliner Currywürste aneinanderzureihen. Aber ohne Darm, bitte!

Rückblick auf 2019: Di Grassi brilliert, Vergne legt in Berlin Grundstein für TItelverteidigung

Formel-E-Fans erlebten beim Berlin E-Prix 2019 ein ereignisreiches Rennen mit zahlreichen Überholmanövern. Lucas di Grassi übernahm schon in der Startphase die Führung von seinem Nissan-Rivalen und Pole-Sitter Sebastien Buemi. Dahinter zeigte Jean-Eric Vergne eine eindrucksvolle Aufholjagd. Der Franzose legte mit zahlreichen Überholmanövern und einer cleveren Attack-Mode-Strategie den Grundstein für seine Titel-Kampagne, die er wenige Wochen später in New York mit dem Gewinn seiner zweiten Meisterschaft krönte. Buemi wurde in Berlin Zweiter, Vergne Dritter.

Mahindra-Neuzugang Alex Lynn dürfte das Rennen hingegen in keiner allzu guten Erinnerung haben. Der Brite, der damals noch für Jaguar startete, war für weite Teile des Laufs auf Kurs für ein Top-5-Ergebnis. Eine Viertelstunde vor Schluss blockierten jedoch die Hinterräder seines Boliden, sodass Lynn den E-Prix aufgeben und sein Fahrzeug abschleppen lassen musste. Nach einer Full-Course-Yellow-Phase rückten stattdessen Antonio Felix da Costa und Stoffel Vandoorne in die Top 5 auf. Aus deutscher Sicht landete Daniel Abt auf Platz 6, Pascal Wehrlein auf Platz 10 und Maximilian Günther auf Platz 14. Andre Lotterer schied vorzeitig aus.

VIDEO: Die Highlights des Berlin E-Prix 2019

Meisterschaftskampf mit offenem Ausgang: Unsere Prognose

Für einen "Grand Slam" (beste Zeit im Gruppen-Qualifying, Pole-Position, Sieg, schnellste Rennrunde) vergibt die Formel E in dieser Saison 30 Meisterschaftspunkte. Bei sechs Rennen können die Fahrer also im Idealfall 180 Zähler sammeln. Kurzum: In Berlin ist mathematisch gesehen noch alles möglich - selbst für Neueinsteiger!

Die beste Ausgangslage für Berlin hat der Portugiese Antonio Felix da Costa. Der 28-Jährige, der vor der laufenden Saison von BMW zu DS Techeetah wechselte, reist als Führender in der Fahrerwertung nach Deutschland. Zudem gewann er das letzte Rennen vor der Corona-bedingten Saisonunterbrechung in Marrakesch. Sicherlich gehört er an der Spree zu den Top-Kandidaten. Allerdings trennen die Top 10 in der Fahrerwertung gerade einmal 38 Punkte.

Ebenso gute Chancen haben also auch die BMW-, Audi-, Jaguar- und Nissan-Piloten. Sogar die neuen Formel-E-Konstrukteure Mercedes und Porsche haben keine schlechten Aussichten auf Top-5- oder sogar Top-3-Resultate. Andre Lotterer erklärte seinen ersten Formel-E-Sieg zum eigenen Ziel für Berlin. Eine entscheidende Rolle dabei spielt die Ausdauer und Belastungsfähigkeit der Teams.

Schließlich können durch die Vielzahl der Rennen kleinste Unaufmerksamkeiten doppelt bestraft werden. Die Abläufe an der Rennstrecke müssen reibungslos über die Bühne gehen, sodass die Fahrer sich "auf ihren Job konzentrieren" können. Fast alle Vor-Ort-Mannschaften werden in Berlin von einem "Mission-Control-Team" abseits der Strecke unterstützt. In dieser Zentrale sollen teilweise sogar dritte Fahrer Runden im Simulator drehen. Zudem werden einige Teams ihr Personal rotieren, um die Belastung der Mechaniker und Ingenieure zu reduzieren. In Berlin gilt: nicht versuchen, alles perfekt zu machen, sondern so wenige Fehler wie möglich zu begehen.

Wir freuen uns auf einen herausragenden Saisonabschluss 2019/20. Nach der langen Corona-Zwangspause sind wir gespannt, wer den Kampf um den sechsten Formel-E-Titel für sich entscheiden kann. In den kommenden zwei Wochen berichtet e-Formel.de selbstverständlich so breit es geht und in aller Tiefe über das Formel-E-Finale.

Übrigens: Auch in diesem Jahr haben unsere Leser eine kostenlose Community-Tippspiel-Runde organisiert. Wer mitmachen möchte, hat noch bis Mittwoch Zeit, die ersten Tipps abzugeben oder sich noch neu anzumelden!

Zurück

0 Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte addieren Sie 6 und 3.